15.03.2022

Russland-Sanktionen bremsen das deutsche Wirtschaftswachstum aus

Presssemitteilung

Die Folgen des Ukraine-Kriegs und die verhängten Sanktionen gegen Russland sind nach Ansicht des LBBW Research für Deutschland und den Euroraum gravierender als bislang angenommen. Die kurzfristigen Konsequenzen seien bereits deutlich sichtbar, urteilen die Analysten unter Hinweis auf die rekordhohen Energiepreise. Die LBBW-Ökonomen sehen in diesem und im kommenden Jahr die Wachstumsaussichten sinken und rechnen mit einer höheren Inflation als bisher.

„Wir gehen davon aus, dass der Ölpreis für die Nordsee-Sorte Brent in der Jahresmitte wieder auf 100 US-Dollar sinken wird und Ende des Jahres gar nur 90 Dollar beträgt. Allerdings haben wir auch dann einen anhaltend hohen Preisdruck auf die deutsche Wirtschaft“, urteilt LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer. Als Faustregel gilt, dass ein Anstieg des Ölpreises um 10 Prozent die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoffe um 2 Prozentpunkte steigen lässt. In der Spitze hatte der Ölpreis kurzfristig um rund 50 Prozent angezogen.

Wie stark dies die Volkswirtschaft belastet, zeigen jüngste Angaben des Statistischen Bundesamtes. Demnach sind die Erzeugerpreise für Konsum- und Investitionsgüter im Januar um rund 6 bis 7 Prozent höher als vor 12 Monaten. „In der Summe dürfte dies in den kommenden Monaten dazu führen, dass auch die viel beachtete Kernrate weiter anzieht. Wir gehen davon aus, dass die Inflationsrate kräftig steigt, und zwar deutlich über die in den vergangenen Jahrzehnten gesehenen Maße.“ Die Kernrate oder Kerninflation beschreibt die Teuerung, ohne die Entwicklung der Preise von Lebensmitteln, Energie, Alkohol und Tabak zu berücksichtigen.

LBBW Research erwartet deutlichen Inflationsschub

Das LBBW Research hebt seine Inflationsprognose für Deutschland (nationaler Verbraucherpreis Index CPI) und den Euroraum (harmonisierter Verbraucherpreis Index HVPI) um jeweils einen Prozentpunkt an. Für Deutschland auf 5,5 Prozent, für den Euroraum auf 6,0 Prozent. Die Prognosen für 2023 weiten die Volkswirte der LBBW für Deutschland auf 2,7 Prozent (bislang 2,5 Prozent) und für den Euroraum auf 3,0 Prozent (2,7 Prozent) aus.

Wie schädlich der Ukraine-Krieg und die Sanktionen für die Konjunktur sind, ist etwas weniger offensichtlich als der Einfluss auf die Teuerung. Der direkte Handel mit Russland, Belarus und der Ukraine machen zusammen 2,4 Prozent der Exporte und 3,1 Prozent der deutschen Importe aus. „Das ist ungeachtet des hohen Rohstoffexposures Deutschlands gegenüber Russland gering“, urteilt Kraemer. Deswegen werde das Einfrieren des Außenhandels abgesehen von den Rohstoffimporten aus Russland erst einmal begrenzte Folgen haben.

Jedoch haben die Verbraucher durch den starken Anstieg der Preise weniger Geld zur freien Verfügung. Dies drückt auf die private Konsumfreude und dürfte auch Investitionen mit einer verstärkten Unsicherheit belasten. Die volkswirtschaftlichen Frühindikatoren werden in den kommenden Wochen deshalb auf Talfahrt gehen“, sagt der Chefvolkswirt voraus. Er hält einen Rückgang des ifo-Geschäftsklima Indexes auf weniger als 90 Punkte für möglich, was in etwa einer ökonomischen Stagnation (im ersten und zweiten Quartal) entspräche. Bislang hatte er ein Plus von 1,5 Prozent für beide Jahresviertel erwartet.

Auf der anderen Seite steigert gleichzeitig der Staat seine Ausgaben erheblich. (für die Bundeswehr und die Versorgung Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen). Nach der Flüchtlingskrise 2015 wurde der Effekt der damals 1,2 Millionen Flüchtlinge auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für 5 Jahre (von 2016 bis 2020) auf 95 Milliarden Euro veranschlagt (entspricht jährlich rund 0,5 Prozentpunkten des BIP). Überdies profitierte Deutschland in der Vergangenheit teilweise indirekt von steigenden Exporten in die OPEC-Staaten.

Das LBBW Research geht davon aus, dass der Nettoeffekt für das BIP „deutlich negativ“ sein wird. Die Volkswirte kürzen ihre Wachstumsprognose für die deutsche Wirtschaft von +3,0 Prozent auf +2,2 Prozent zusammen. Der Verlust von 0,8 Prozentpunkten entspricht ungefähr 28 Milliarden Euro des BIP, rechnen sie dabei vor. Für den Euroraum senken sie die BIP-Prognose zugleich von 4,0 Prozent auf 3,2 Prozent.

Die vollständige Studie finden Sie unter den Downloads