Werke in der Sammlung
Hans Purrmanns gesamtes Werk dokumentiert einen malerischen Umgang mit Farbe, der nicht unmittelbar in die Stile der Klassischen Moderne einzuordnen, sondern von einer individuellen Haltung gegenüber dem Sinn und Nutzen der Malerei geprägt ist. Er besetzt damit eine Sonderstellung, die auch keine Zuschreibung zu den programmatischen Künstlergruppierungen seiner ersten Schaffenszeit zulässt, und dies hat seine Werkrezeption auch immer mitbestimmt. Steht Purrmann nach seiner Zeit an der Kunstakademie in München in der Klasse von Franz von Stuck zunächst kurze Zeit dem Impressionismus nahe, was ihn durch die Anerkennung von Max Liebermann und Max Slevogt auch in den Mitgliederkreis der „Berliner Sezession“ führt, orientiert er sich ab 1905/1906, mit seinem Wechsel nach Paris, vorrangig an den Künstlern, die heute als Wegbereiter der Moderne gelten, an Paul Cézanne und Henri Matisse. Über seine frühe, entschiedene Absage an einen sich erfolgreich abzeichnenden Weg in der deutschen Kunstlandschaft nach der Jahrhundertwende gibt Purrmann rückblickend in einer kleinen Artikelserie, die er im Schweizer Magazin „Das Werk“ ab 1946 veröffentlicht, selbst Aufschluss. Die Serie hebt mit den „Erinnerungen an meine Studienzeit“ an und beinhaltet die Abrechnung mit seinem ehemaligen Lehrer Franz von Stuck und nicht nur mit der von Stuck vertretenen Salonmalerei zu Ende des 19. Jahrhunderts. Von Imitation, Vortäuschung, Großspurigkeit und falscher Patina, so Purrmann, sei diese Kunst und Malerei gekennzeichnet, die gleichwohl nur durch eine genaue Kenntnis altmeisterlicher Technik möglich war. Hingegen, so Purrmann weiter, stammten die wichtigen Eindrücke seiner Münchner Zeit von den Ausstellungen im Münchner Glaspalast und dort die Begegnung mit der Malerei des Schweizers Ferdinand Hodler, den Artefakten in der Kunsthandlung Littauer, darunter japanische Holzschnitte und Reproduktionen von Velasquez und Degas, sowie mit den Werken von Lovis Corinth und Hans von Marées. Purrmanns Vorliebe für einfache aber überzeugende Linienführung, formale Ausgewogenheit, die Loslösung der Farbe vom Gegenstand mit ihrer Abkehr vom Prinzip der Lokalfarbe sowie die malerisch gekonnte Ausführung insbesondere unprätentiöser Sujets zeichnet sich hier ab. Mit der Kritik von Franz von Stuck, „seine Malerei sei voller Wirkung, aber es fehle ihr an Geist“, kehrt Purrmann schließlich München den Rücken und zieht, auch veranlasst durch seinen ersten Galeristen Paul Cassirer, zunächst nach Berlin, um sich einige Monate später in Paris niederzulassen.
Hans Purrmanns Werk „Blumen mit Gipshand“ steht bereits im Kontext seiner Auseinandersetzung mit der französischen Avantgarde, die er seit seinem ersten Pariser Aufenthalt 1903 stetig nachvollzogen hat. Das Gemälde markiert den Versuch, den räumlichen Illusionismus zugunsten einer durch Farbfelder und Kontraste aufgegliederten Raumwirkung aufzuheben, die durch die freie Setzung eines grob umrissenen, weißen Farbkörpers ohne weiteren Haltepunkt auf Grau unterstrichen wird. Dass Purrmann mit diesem Gemälde eine eigene Interpretation des durch Pablo Picasso und Georges Braques präsentierten „Kubismus“ unternimmt, liegt nahe, verabschiedete die kubistische Sicht auf die Welt doch prinzipiell alle bisherigen Fundamente und Normen der Malerei. Hans Purrmanns Pariser Zeit prägt jedoch seine Bekanntschaft und lebenslange Freundschaft mit Henri Matisse, dessen Werk er sich zeitlebens verbunden fühlt. Damit stellt sich Purrmann nicht nur die Aufgabe der kompletten Überwindung des akademischen Modells, sondern er erlebt ebenso den malerischen Wettbewerb zwischen Matisse und Picasso, der sich auch in der Frage zuspitzt, inwieweit die Freiheit der Malerei zu einer Deformation ihres Gegenstandes führen darf. Purrmann selbst folgt in seiner Parteinahme für den Lehrer und Freund Matisse dessen Auffassung eines harmonischen Bildsystems und bleibt diesem auch nach seiner Pariser Zeit in den klassischen Gattungen der Landschafts-, Akt-, Stillleben- und Interieurmalerei treu.
Nach dem Ersten Weltkrieg hält sich Hans Purrmann zwischen 1922 und 1927 mit seiner Familie vorwiegend in Rom auf, auch führen ihn ausgedehnte Reisen an den Golf von Neapel, nach Ischia und Sorrent. In dieser Phase gewinnt für Purrmann die von Cézanne ausgehende Modulation der Farbe weitere Bedeutung, die sich für Purrmann in die Reihe der für ihn relevanten Begriffe „Rapport“, „Peinture“ und „Ensemble“ in Kenntnis der französischen Kunsttheorie diskursiv einreiht. Sowohl das Werk „Forum Romanum“ (1925) als auch das „Früchtestillleben“ aus dem Jahr 1930 zeigen unterschiedliche Aspekte im inzwischen etablierten, malerischen System des Künstlers auf. Beide Gemälde kennzeichnet die Darstellung des Sujets durch stimmungsvoll gesetzte Farbeindrücke. Sie zeigen sich bei „Forum Romanum“ speziell durch die Aneinanderreihung fein ausgewogener Farbkadenzen in der plastisch lichtvollen Ausgestaltung des architektonischen Prospekts. Das malerische Verständnis eines „Ensembles“ und dessen Kompositionsprinzipien führt Purrmann hingegen mit kontrastreichem Kolorismus im später entstandenen „Früchtestillleben“ aus.
Ab 1932 sieht sich Purrmann, inzwischen wieder in Berlin zurück, zunehmend persönlichen Diffamierungen ausgesetzt. Sie machen sich zunächst an seinem Auftragswerk für den Kreistagssaal in seiner Geburtsstadt Speyer fest, das im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung von einer Hakenkreuzflagge verhängt wird. 1933 werden Werke von Purrmann in Femeausstellungen in Karlsruhe und Nürnberg ausgestellt, gleichzeitig wird die finanzielle Situation der Familie Purrmann immer schwieriger. Das Ringen um einen Weg, erneut im europäischen Ausland auf legalem Weg zu leben, führt schließlich 1935 zu Purrmanns erfolgreicher Bewerbung auf die Leitung der Villa Romana in Florenz, zunächst befristet auf drei Jahre. Trotz erheblicher nationalsozialistischer Einflussnahme gelingt es Purrmann, bis 1943 in Florenz zu verbleiben. Das Florentiner Refugium ermöglicht es dem Künstler, unbeeindruckt von den politischen Umtrieben, sein koloristisches Werk weiter zu verfolgen. Und obgleich sich Purrmann spätestens nach 1938 seiner Stellung nicht mehr sicher sein kann, bleibt seine Malerei aus diesen Jahren, wie es das Gemälde „Villa Romana Florenz“ aus dem Jahr 1941 zeigt, von den mühevollen und immer bedrückender werdenden Umständen unberührt.
Mit seiner Flucht 1943 in die Schweiz gelangt Purrmann schließlich ins Tessin nach Montagnola. Er unternimmt von dort ausgehend nach Ende des Zeiten Weltkriegs erneut Reisen, die ihn auch wieder nach Ischia führen. Auch in der letzten Phase seines Schaffens bleibt für Purrmann der wichtigste Gegenstand des Bildes, den Eigenwert der Farbe in ihrer lichtvollen Schönheit als koloristisches Erlebnis zu behandeln. Dabei verschiebt sich die Arbeit an Atmosphäre und Wirkung, wie sie in den Landschaftsbildern aus Rom und Florenz durch eine trockene Peinture vorgeführt wurde, zu einer dichten, farbstarken Setzung ornamental aneinandergefügter Formen. Beispielhaft für diese Art der Landschaftsmalerei steht der „Weg mit Olivenbäumen bei Lacco Ameno“ aus dem Jahr 1956. „Von der Würde des Dekors und der Wertung der Farbe“ ist auch in den Erinnerungen des Kunsthistorikers Werner Haftmann an den Künstler zu lesen, was ihn 1955 gemeinsam mit Arnold Bode auch dazu bewogen hat, Hans Purrmann in die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler zur „documenta I“ aufzunehmen.
Vita
Hans Purrmann (1880–1966): Geboren in Speyer, Ausbildung und Beschäftigung als Dekorationsmaler im Betrieb seines Vaters in Speyer. 1895–1897, Studium an der Kunstgewerbeschule Karlsruhe. Ab 1897 Kunststudium an der Kunstakademie München, zunächst Zeichnung bei Gabriel von Hackl, dann Malerei bei Franz von Stuck. Das „Henry-Hilgard-Stipendium zur Förderung der bildenden Künstler in der Pfalz“ erlaubt Purrmann den Fortgang des Studiums; Teilnahme an Ausstellungen der „Münchner Secession“. 1904–1905 Aufenthalt in Berlin. 1905 Umzug nach Paris, Purrman wird Teil des kosmopolitischen Künstler-, Kritiker-, und Sammlerkreises im „Café du Dôme“. Bekanntschaft mit den Künstlern Henri Matisse und André Derain, den Begründern des „Fauvismus“. Ab 1907 Beschäftigung mit dem Werk Paul Cézannes. 1908 erste Reise mit Henri Matisse nach Deutschland, Gründung der „Académie Matisse“ in Paris. Purrmann wird dort Obmann des Ateliers. 1911 Ausstellungsbeteiligung in der Galerie von Paul Cassirer in Berlin. 1912 Teilnahme an der Sonderbund-Ausstellung in Köln. Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 Teilverlust von Atelier und Wohnung in Paris sowie dort verbliebenen Arbeiten und Werken seiner Kunstsammlung. 1914–1916 Aufenthalt in Beilstein, dann Umzug nach Berlin. 1918 erste große Einzelausstellung bei Paul Cassirer. 1919, auf Vorschlag von Max Slevogt und Max Liebermann, Mitglied der „Preußischen Akademie der Künste“ und folgend der Ankaufskommission der Nationalgalerie Berlin. 1920 erste Reise nach Rom, 1923 bis 1927 wird Rom Hauptwohnsitz der Familie Purrmann. Ab 1925 vermehrt Einzelausstellungen in Galerien in Basel, Kaiserlautern und Nürnberg. 1931 Auftrag für den Kreistagssaal in Speyer, 1932 Fertigstellung des Triptychons „Allegorie der Kunst und Wissenschaft“, das nach Anbringung sofort scharfer Kritik ausgesetzt ist. 1935 Umzug nach Florenz, Purrmann übernimmt die Verwaltung der „Deutschen Künstlerstiftung Villa Romana“. 1937 gilt Purrmann als „entartet“, Werke aus öffentlichen Sammlungen werden beschlagnahmt. Bis 1943 bleibt Purrmann, trotz schwieriger politischer Umstände, hauptsächlich in Florenz, im Oktober Flucht in die Schweiz. Von Zürich Umsiedlung 1944 nach Montagnola ins Tessin. Ab 1948 Arbeitserlaubnis in der Schweiz, es folgen umfangreiche Einzelausstellungen und Ausstellungbeteiligungen in Schweizer und deutschen Museen. 1950 erscheint eine erste Monographie zu Leben und Werk. 1955 Teilnahme an der „documenta 1“ in Kassel. 1960, 1962 und 1963 finden zu Lebzeiten drei große Retrospektiven u. a. im Kunstverein Hannover und im Haus der Kunst München statt, die auch Purrmanns grafisches Werk umfassend würdigen.