Louisa Clement

Louisa Clement, Gliedermensch Number 27, Detail

Spotlight

Louisa Clement, 1987 in Bonn geboren, lebt und arbeitet dort. Von 2007 bis 2010 studierte sie in der Klasse von Leni Hoffmann an der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe Malerei und Grafik. 2015 machte sie als Meisterschülerin von Andreas Gursky ihren Abschluss an der Kunstakademie Düsseldorf. 2023 wurde sie mit dem Bonner Kunstpreis ausgezeichnet.

Schaut man hinein in Louisa Clements Werk, das sowohl Fotografie als auch Skulptur umfasst, so gilt ihr Interesse den menschlichen Formen, vor allem ihren Nachbildungen, also der Puppe, ihrem einzelnen Kopf oder ihren Gliedern: Demnach so, wie sie als Träger von Ware, Kleidung, Schmuck und Eros in den Schaufenstern der Welt zuhause sind oder nun auch so, wie sie jüngst, im Auge der technischen Hochrüstung, durch Robotik, der Mixed Reality (AR, VR) und der Künstlichen Intelligenz neue Anwendungen finden.

Clements Werk mit modellierten und artifiziellen Transformationen des Körpers beginnt mit zwei fotografischen, je abgeschlossenen Serien „fracture“ (2014) und „heads“ (2014-2015), wobei sie zum einen blanke Glieder und zum anderen nackte Köpfe von Schaufensterpuppen als fotografische Motive herausstellt, die, technisch bearbeitet, nunmehr vor monochromen Hintergründen schweben und damit eine schwerelose, teils geisterhafte Präsenz besitzen.

Louisa Clement, Gliedermensch Number 27
Louisa Clement: Gliedermensch #27, 2017. ©Louisa Clement

Aus dem Jahr 2017 stammt die Serie „Gliedermensch“, ein weiterer Meilenstein in Clements Werkentwicklung. Die insgesamt 27 Fotografien umfassende Serie nimmt Bezug auf ein seit der Renaissance gebräuchliches Atelierrequisit, den Manichino, eine schematisierte, hölzerne Ersatzfigur für Bewegungs- und Gewandstudien, die bis heute nahezu in jedem Künstlerbedarfsladen zu finden ist. Der Manichino durchlebt seit seiner Erfindung unterschiedliche Wertschätzungen, so dass er, wie in Heinrich von Kleists Text „Über das Marionettentheater“, zum Präzedenzfall wird: Nämlich für die Frage was die ‚natürliche Anmut‘ von Körperhaltung und Bewegung auszeichnet und wie sie, insbesondere auf der Bühne für Schauspieler und Tänzer, zu erreichen ist. Der Gliedermensch am Faden, so das Fazit der Erzählung, übertrifft in Grazie und Anmut den Menschen darin, dass er sich niemals ziert (!), also seine Seele sich nie an einem anderen Punkt befinden wird als immer im Schwerpunkt seiner Bewegung. So ist es also, laut Kleist, die alleinige und höchste Aufgabe des perfekten Darstellers, den Weg der Seele nachzuzeichnen, und dies gelingt ihm am reinsten nur, „…wenn er [wie der Gliedermensch] entweder gar keins oder [wie Gott] ein unendliches Bewusstsein hat.“ Mit Kleists Text, aus welchem die Künstlerin für den Titel der ersten Ausstellung ihrer Gliedermenschen die Zeile „Des Tänzers Weg der Seele“ vorangestellt hat, legt sie zugleich ihre künstlerische Herangehensweise dar, den Gliedermenschen als gefühloffenes, wenngleich ohne eigenes Bewusstsein existierendes Wesen zu manifestieren.

Louisa Clement, Gliedermensch Nummer 19
Louisa Clement: Gliedermensch #19, 2017. ©Louisa Clement

Die großformatigen Fotografien zeigen Partien von schwarz lackierten, mit golden glänzenden Scharnieren ausgestatteten, mechanischen Puppen. Man erkennt Glieder oder dunkle Torsi oder Arme, die sie um ihren Körper geschlungen halten. Die Gliedermenschen scheinen sich dabei fast verschämt bedecken zu wollen, immer bleibt den mechanischen Puppen eine gewisse Eleganz, eine kühle Distanziertheit aber auch eine scheue, fast zärtliche Intimität vorbehalten. Über Clements künstlerischen Umgang und die daraus resultierende Darstellung, vor allem des weiblichen Körpers, ist an anderer Stelle bereits auf die Eigenschaft einer „transhumanen Wärme“ verwiesen worden, die trefflich die immer ambivalente Anmutung in der Begegnung mit Louisa Clements Werken beschreibt.

Louisa Clement: Gliedermensch Nummer 3
Louisa Clement: Gliedermensch #3, 2017. ©Louisa Clement

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