Negative Emissionen: Wie holen wir das CO₂ aus der Atmosphäre?

Die Klimaziele erfordern, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Aber wie? Die Bundesregierung will eine Anschubfinanzierung bereitstellen.

Ein industrielle Fabrik mit rauchenden Schornsteinen und einem Stapel Holzstämme im Vordergrund
Ein industrielle Fabrik mit rauchenden Schornsteinen und einem Stapel Holzstämme im Vordergrund

Um das EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, genügt es nicht, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Parallel dazu ist es notwendig, Kohlendioxid – CO₂ – aus der Atmosphäre zu entfernen. Die Fachleute sprechen von „negativen Emissionen“. Der Grund für diesen Vorstoß: Bei manchen Industrieprozessen, in der Abfallwirtschaft und in der Landwirtschaft ist es schlichtweg unmöglich, die Emissionen auf null zu bringen. Die Naturgesetze stehen dem entgegen.

Die EU-Kommission erarbeitet derzeit einen Maßnahmenkatalog, der die geregelte Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre auf den Weg bringen soll. Für Deutschland hat das Bundeswirtschaftsministerium schon Ende Februar die Eckpunkte einer Carbon-Management-Strategie vorgelegt, die bestehende Hürden beim Abscheiden und Speichern von CO₂ (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) beseitigen soll. Ergänzend dazu hat die Ampelkoalition eine separate „Langfriststrategie Negativemissionen“ angekündigt.

Technologien für die CO₂-Entnahme

Negative Emissionen lassen sich auf mehreren Wegen erreichen. Drei Beispiele:

  • Bäume und Pflanzen nehmen beim Wachstum CO₂ aus der Luft auf. Das Holz oder aus den Pflanzen erzeugtes Biogas wird verbrannt, um Energie zu erzeugen. Das dabei freigesetzte Kohlendioxid wird aus der Abluft der Kraftwerkskessel abgeschieden und dauerhaft im Untergrund gespeichert (Bioenergy CCS, BECCS).
  • Manche Mineralien binden CO₂, wenn sie damit in Kontakt kommen. Wie viel, hängt unter anderem von der Größe ihrer Oberfläche ab. Werden die Mineralien fein vermahlen, können sie weit mehr Kohlendioxid speichern.
  • Forscher aus Wissenschaft und Industrie haben Anlagen entwickelt, die CO₂ wie eine Art Kescher aus der Umgebungsluft filtern können (Direct Air Capture, DACCS).

Anschubförderung für CCS-Verfahren nötig

Einige der Verfahren für negative Emissionen sind technologisch bereits weitestgehend ausgereift, sodass sie schon sehr bald eingesetzt werden könnten. Dabei ist allerdings eine nicht ganz unwichtige Frage noch offen: Wie lässt sich die Entnahme von Kohlendioxid finanzieren? Der europäische Emissionshandel (EU ETS) integriert zwar bereits heute auf dem Papier Negativemissionen. Zur Teilnahme am Handel verpflichtete Unternehmen könnten damit unter bestimmten Bedingungen ihren CO2₂-Ausstoß ausgleichen, sodass sie entsprechend weniger Emissionszertifikate erwerben müssten. Allerdings liegen die Kosten der Entnahme weit über denen der CO₂-Zertifikate. Für die Unternehmen ist es deshalb auf absehbare Zeit viel wirtschaftlicher, für ihren Treibhausgasausstoß weiterhin Emissionsrechte zu kaufen.

Für die Bundesregierung ist somit klar: Maßnahmen zur Entnahme von Kohlendioxid benötigen eine Anschubfinanzierung, solange der Preis der CO₂-Zertifikate nicht deutlich höher liegt als heute. Der Bund unterstützt deshalb künftig in manchen Fällen Investitionen in Technologien für negative Emissionen im Rahmen der neuen Klimaschutzverträge mit der Industrie. Weitere Fördermaßnahmen will die Ampelkoalition mit der Carbon-Management-Strategie vorlegen.

EU will CO₂-Binnenmarkt schaffen

Wie die EU mit Negativemissionen umgehen will, ist hingegen noch weitgehend offen. Die EU-Kommission hat zwar erklärt, Maßnahmen ergreifen zu wollen, mit denen ein europäischer CO₂-Binnenmarkt entsteht. Dazu will sie ein Paket zur Regulierung von CO₂-Entnahme, -Transport und -Speicherung vorlegen. Die Arbeit daran hat jedoch gerade erst begonnen.

Experten schlagen der EU eine europäische CO₂-Zentralbank zum Ankauf von Negativemissionen vor.

Experten verschiedener Institutionen – etwa des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) oder der Universität Kiel – schlagen der EU unter anderem vor, eine europäische CO₂-Zentralbank einzurichten, die Negativemissionen ankauft. Entsprechende Zertifikate verkauft sie später wieder an Unternehmen, die zur Teilnahme am EU ETS verpflichtet sind und denen es technisch unmöglich ist, ihren CO₂-Ausstoß auf null zu bringen. Finanzieren ließe sich der Ankauf durch Erlöse aus dem Emissionshandel. Die Bank könnte zudem die Rolle einer Clearing-Stelle für CO₂-Entnahme-Zertifikate einnehmen.

Rechtsrahmen für freiwillige Entnahme

Einen Schritt weiter ist die EU bei der Entwicklung eines Rahmens für die Zertifizierung von negative Emissionen. Europäischer Rat und EU-Parlament haben kürzlich Mindestanforderungen an die CO₂-Entnahme auf freiwilliger Basis definiert, mit der Unternehmen ihre Produkte als klimaneutral vermarkten können. Das soll „Greenwashing“ unterbinden. Zertifiziert werden nur Maßnahmen, die zu einer quantifizierbaren, dauerhaften, nachhaltigen und zusätzlichen Entnahme von CO₂ führen. Ein EU-Register soll die Vergabe der Zertifikate einschließlich der Prüfberichte transparent machen. Rat und Parlament müssen die Verordnung noch annehmen, was aber als Formsache gilt. Danach tritt sie binnen weniger Wochen in Kraft.