Euro Dollar Entwicklung: Gefahr für die deutsche Wirtschaft?

Vor fast 25 Jahren startete der Euro – mit einem kolossalen Fehlstart. Zum Jubiläum droht der nächste Patzer, sollte der Euro wieder auf Dollar-Parität fallen.

Nahaufnahme eines 100-Euro-Scheins
Nahaufnahme eines 100-Euro-Scheins

Aus europäischer Sicht war es ein echter Tiefpunkt: Gerade einmal 10 Monate nach seinem Start fiel der Euro Mitte Oktober 2000 auf 85 US-Cent je Euro. Noch zwei weitere Jahre sollte es dauern, bis sich die neue Gemeinschaftsdevise der Europäischen Union dauerhaft über der Marke von 1 Dollar je Euro einrichten konnte.

Zu seinem Jubiläum im kommenden Jahr könnte der Euro jedoch bis auf die Parität zurückfallen, sagt das LBBW Research voraus. Die Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar hat vor allem zwei Gründe: „Die von uns erwartete Wachstums- und Zinsdifferenz spricht für eine noch stärkere Abwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar als bislang prognostiziert. Dabei haben wir weitere Argumente, wie beispielweise die Attraktivität der Vereinigten Staaten als Investitionsstandort, noch gar nicht ins Feld geführt“, sagt Devisenanalyst Dirk Chlench voraus.

Der Analyst reagiert damit auf die unterschiedlichen Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer an die Geldpolitik der Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantiks. Er erwartet in den USA bis Ende des Jahres inzwischen nur noch zwei Zinssenkungsschritte à 25 Basispunkte. Die Euro-Währungshüter dürften sich durch die Zögerlichkeit ihrer US-Kollegen nicht von der für Juni in Aussicht gestellten Leitzinswende abhalten lassen. Je weiter die Federal Reserve eine Lockerung der Geldpolitik auf die lange Bank schiebt, desto größer dürften zwar auch innerhalb des EZB-Rats die Widerstände gegen eine Reihe aufeinanderfolgender Zinssenkungen werden. Im Ergebnis sollte jedoch der Renditevorteil von kurz laufenden Emissionen des US-Schatzamtes gegenüber ihren Pendants aus Deutschland stärker zunehmen.

Schlechte Aussichten für den Euro

Den US-Dollar stützt darüber hinaus die Stärke der US-Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt ist zwar im ersten Quartal 2024 nicht ganz so kräftig gestiegen wie von vielen angenommen. Gleichwohl liefert die Statistik keinen Anlass zum Konjunkturpessimismus. 2024 dürfte die US-Wirtschaft wohl um 2,3 Prozent wachsen, während das LBBW Research für den Euroraum lediglich mit einer Wachstumsrate von 0,8 Prozent rechnet, dabei aber sogar noch Abwärtsrisiken für diese verhaltene Prognose sieht.

Die von uns erwartete Zinsentwicklung spricht für eine Fortsetzung der Euro-Schwäche.

Dirk Chlench, Devisenanalyst

Euro-Erholung – ein Nachteil für die deutsche Exportwirtschaft?

Zwar gilt ein schwach tendierender Euro teilweise als Nachteil für die deutsche Wirtschaft, weil die Rohstoffe für in Deutschland produzierte Waren oftmals außerhalb der Eurozone und oft genug in US-Dollar eingekauft werden. Doch ganz so direkt wirkt dieser Zusammenhang nicht immer.

Selten war der Euro schwächer

Entwicklung des Wechselkurses zwischen Dollar und Euro

Quelle: fred.stlouisfed.org/series/DEXUSEU

Es gehen einer Analyse der LBBW zufolge mehr als ein Drittel der deutschen Ausfuhren in Länder der Eurozone, sind also im positiven wie im negativen Sinne wechselkursunabhängig. Ein Beispiel: Im deutschen Maschinenbau spielen den Berechnungen zufolge Währungsschwankungen für rund 70 bis 80 Prozent der Gesamtproduktion kaum eine Rolle. Zwar lassen sich in der Vergangenheit grundsätzlich Auswirkungen der Devisenkurse auf die Exporttätigkeit feststellen, allerdings haben sich die beiden Größen über längere Zeiträume auch in vielen Phasen vollständig voneinander entkoppelt. „Wichtiger als die Entwicklung eines Währungspaars sind für die Exporterwartungen des verarbeitenden Gewerbes deshalb die Konjunkturerwartungen in den Zielmärkten“, sagt Martin Amann, der für die Beratung im Financial & Rating Advisory verantwortlich ist.

Martin Amann, Leiter der LBBW Advisory Einheit im Corporate Finance Bereich

Wichtiger als die Entwicklung eines Währungspaars sind für die Exporterwartungen die Konjunkturprognosen in den Zielmärkten.

Martin Amann, Leiter Financial & Rating Advisory

Währungsrisiken nicht unterschätzen

Dennoch gilt es für Unternehmen, die einen Teil ihres Umsatzes in Fremdwährungen wie dem US-Dollar, dem britischen Pfund oder dem chinesischen Renminbi erwirtschaften, Währungsrisiken genau im Blick zu behalten. Gefahr droht zum Beispiel dann, wenn die Währung eines Ziellandes bei Abschluss eines Auslandsgeschäfts relativ stark ist, danach aber an Wert verliert. Denn in der Regel ist der vereinbarte Kaufpreis erst bei Lieferung fällig – bis dahin vergehen aber oft viele Monate. „Ohne Absicherung können schon kleinere Devisenkursausschläge den erwarteten Gewinn eines Geschäfts zunichtemachen“, warnt LBBW-Experte Martin Amann.

Und ein im Trend schwächer werdender Euro bringt noch ein weiteres Risiko mit sich: Deutschland ist als rohstoffarmes Land vor allem bei Energie, aber auch bei anderen Rohstoffen und Vorprodukten auf Importe angewiesen. Und die kommen zumeist von außerhalb der Eurozone und müssen in Fremdwährungen bezahlt werden. Kommt daher ein schwacher Euro mit einem knappen und deshalb teuren Rohstoffangebot zusammen, setzt das hierzulande die Margen der rohstoffintensiven Unternehmen nochmals stärker unter Druck, wie dies bei einem starken Euro der Fall wäre.

Schon kleinere Devisenkursausschläge können den Gewinn eines Geschäfts zunichtemachen.

Martin Amann, Leiter Financial & Rating Advisory bei der LBBW

Verluste vermeiden – mit individuellen Absicherungsinstrumenten

Wie stark Wechselkurse im Allgemeinen die Umsatz- und Gewinnerwartungen beeinflussen können, zeigt ein Extrembeispiel: Im Frühsommer 2022 korrigierte der Technologiekonzern Microsoft seine Umsatzerwartung für das vierte Quartal 2022 um fast eine halbe Milliarde US-Dollar nach unten und nahm auch seine Gewinnerwartungen deutlich zurück. Als Begründung nannte das US-Unternehmen negative Auswirkungen des starken US-Dollars in Höhe von 460 Millionen US-Dollar. Microsoft erwirtschaftet einen großen Teil seiner Einnahmen durch Geschäfte außerhalb der Vereinigten Staaten.

Risiken aktiv managen

„Unternehmen, die ihre Exportumsätze zu einem wesentlichen Teil in Fremdwährungen erwirtschaften und/oder in Fremdwährung einkaufen, tun gut daran, Risiken aktiv zu managen und sich gegen Währungsschwankungen abzusichern“, sagt Martin Amann. „Wenn sich ein Währungspaar über längere Zeit nur seitwärts bewegt, gibt es für Unternehmen zwar kaum eine Motivation, Instrumente zur Währungssicherung einzusetzen. Das ändert sich jedoch abrupt, wenn zum Beispiel durch Leitzinsänderungen mehr Volatilität in die Devisenmärkte kommt“, weiß der LBBW-Experte. Dann wird ein passendes Absicherungsinstrumentarium schnell zum Gewinnretter.