Die Urbanisierung der Gesellschaft wird sich nach Ansicht des LBBW Research im laufenden Jahrzehnt weltweit ungebremst fortsetzen. „Nicht nur die Städte werden weiter wachsen, zugleich wird auch die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere die Anbindung des Umlands an die Stadt stärker ausgebaut werden“, urteilt Automobilanalyst Gerhard Wolf. In der Folge werde sich vermutlich auch das Leben im ländlichen Raum weiter dem der Städter anpassen.
Für die Bürger seien damit eine ganze Reihe absehbarer Konsequenzen verbunden, erklärt Macro-Analyst Guido Zimmermann: „Die rege Nachfrage nach Wohnraum wird in den Städten die Wohnungsnot auch in Zukunft weiter verschärfen.“ Weil sich nur noch Gutverdiener die Preise in den Stadtzentren leisten können, erwarten die beiden Autoren der Researchstudie „Urbanisierung und Neue Mobilität – Wie passen diese Megatrends zusammen?“, dass die Speckgürtel der Städte deutlich breiter werden. „Kein Auto zu haben, muss man sich erst einmal leisten können. Denn für die breite Masse wird der tägliche Weg zur Arbeit zum Riesenproblem, sofern den Städten nicht die enge Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel wie dem Auto sowie Bussen und Bahnen gelingt“, warnt Zimmermann. Die funktionierende Intermodalität der Verkehrsmittel sei in Zukunft deshalb entscheidend für die weitere Entwicklung einer Stadt.
Um neue Konzepte zur Urbanisierung erfolgreich entwickeln zu könnten, müssten Stadtplaner ein neues Verständnis für die Entwicklung im Automobilsektor und den Trend zu neuen Mobilitätsarten entwickeln, glauben die Autoren. Keine leichte Aufgabe, steht der motorisierte Individualverkehr doch weltweit am Anfang einer spektakulären Mobilitätswende. Beispielsweise werden Elektromobilität, Carsharing oder autonom fahrende Autos in Zukunft deutlich wichtiger. Da viele Entwicklungen, wie zum Beispiel Lieferdrohnen, noch unausgereift oder schwer einzuschätzen sind, empfehlen Wolf und Zimmermann, in einem ersten Schritt die Situation für Fußgänger und Radfahrer zu verbessern. Entsprechende Investitionen blieben in jedem Fall sinnvoll.
„Aber ein Mobilitätswandel geht nicht ohne Kulturwandel. Die Einstellung im Kopf muss stimmen, kann aber geändert werden“, meint Guido Zimmermann. Bezuschusste Nahverkehrstickets, Parkhäuser und Anwohnerparkzonen könnten das Verhalten der Bürger in eine vom Stadtplaner gewünschte Richtung ändern. Der Analyst schlägt zudem U- oder S-Bahnen vor, in denen größere Bereiche für die Mitnahme von Fahrrädern oder Rollern reserviert sind. In der chinesischen Provinz Szechuan werde schließlich eine komplett autofreie Stadt geplant, bei der alle Einrichtungen in einem Stadtviertel binnen 15 Minuten zu Fuß erreichbar sein müssen.