Was der Emissionshandel für den Mittelstand bedeutet
Der europäische Emissionshandel mit CO₂-Zertifikaten betrifft auch die mittelständischen Unternehmen – unter anderem durch steigende Energiekosten.
Viele mittelständische Unternehmen sind direkt eingebunden in den EU-Emissionshandel (EU ETS). Der Handel mit CO₂-Zertifikaten ist die zentrale Idee des „Fit for 55“- Maßnahmenpakets, mit dem die Europäische Union ihre Klimaziele erreichen will. Wenn sie energieintensive Industrieanlagen oder fossile Kraftwerke betreiben, müssen Mittelständler ebenso wie Industriekonzerne oder generell Energieerzeuger für jede emittierte Tonne Kohlendioxid ein CO₂-Zertifikat kaufen. Alle anderen Mittelständler sind ebenfalls vom Emissionshandel betroffen, wenn auch nur indirekt. Der EU ETS lässt die Preise von Gütern und Strom steigen, da die Unternehmen ihre Zertifikatskosten auf die Kunden abwälzen, sofern der Wettbewerb das erlaubt. Manche sprechen hier von „grüner Inflation“.
Carbon-Leakage-Liste schützt Mittelstand
In den CO₂-Zertifikatehandel eingebundene Mittelständler erhalten – ebenso wie Konzerne – für die Emissionen aus ihren energieintensiven Industrieanlagen einen Teil der benötigten Zertifikate kostenfrei. So will die EU verhindern, dass sie im globalen Wettbewerb benachteiligt werden. Voraussetzung dafür ist, dass sie einer Branche oder einem Sektor angehören, die auf der sogenannten Carbon-Leakage-Liste der EU geführt sind. Doch auch für Unternehmen aus Sektoren, die nicht auf dieser Liste geführt werden, gibt es eine Entlastung: Ihnen werden 30 Prozent der CO₂-Zertifikate kostenlos zugeteilt. Diese Regelung ist bis 2026 befristet.
Wie viele CO₂-Zertifikate die Unternehmen konkret erhalten, bemisst sich danach, wie viel Treibhausgas die effizientesten Anlagen der jeweiligen Branche emittieren („Benchmarking“). Die darüber hinaus benötigten Mengen müssen sie zukaufen, entweder in den laufend stattfindenden Auktionen oder aber im Direkthandel. Dabei kaufen sie CO₂-Zertifikate von Unternehmen, die ihr Kontingent an Emissionsrechten nicht ausschöpfen, etwa weil sie ihren CO₂-Ausstoß gesenkt haben.
Keine Gratiszertifikate für fossile Kraftwerke
Viele Unternehmen aus dem Mittelstand betreiben eigene fossile Kraftwerke, um sich selbst mit Energie zu versorgen. Für deren gesamte Emissionen müssen sie CO₂-Zertifikate kaufen. Ausnahmen gibt es nur für die Wärme, die sie in den Anlagen für industrielle Prozesse erzeugen. Anders als bei energieintensiven Industrieanlagen erhalten Unternehmen also für die Energieerzeugung keine Gratisemissionsrechte. Grund dafür ist, dass es in diesem Bereich keinen globalen Wettbewerb gibt.
Steigende Energiekosten
Der EU ETS verteuert die Produktion von Gütern und Energie – und lässt damit deren Preise steigen. Bei Industrieprodukten ist dieser Effekt in vielen Fällen allerdings nicht allzu stark, da ein großer Teil der benötigten Emissionsrechte kostenlos zugeteilt wird. Zudem lässt die Wettbewerbssituation längst nicht immer zu, dass die Unternehmen ihre CO₂-Kosten an die Kunden weitergeben können.
Anders dagegen beim Strom: Hier schlagen sich die Kosten für die CO₂-Zertifikate unmittelbar im Großhandelspreis nieder. Damit wirken sich die Entwicklungen bei den Preisen für die Emissionsrechte indirekt auch auf diejenigen Unternehmen aus, die nicht selbst dem Zertifikatehandel unterliegen. Und wer ETS-pflichtige Anlagen betreibt, ist gleich doppelt betroffen – direkt sowie indirekt als Energieverbraucher.
Um Betriebe mit sehr hohem Verbrauch vor steigenden Stromkosten zu schützen, entlastet sie der Bund mit der sogenannten Strompreiskompensation. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Unternehmen einer Branche oder einem Sektor angehören, der im starken globalen Wettbewerb steht.
Emissionshandel außerhalb der EU
Auch in anderen Ländern und Regionen, etwa in China, Südkorea oder in einigen Bundesstaaten der USA, existieren Systeme für den Emissionshandel. Unterhält ein Mittelständler aus Deutschland dort ein Werk, muss er unter bestimmten Bedingungen am jeweiligen Handelssystem teilnehmen.
Die einzelnen Systeme sind nicht miteinander verknüpft. Daher gibt es keinen globalen CO₂-Preis. Die Preise im außereuropäischen Zertifikatehandel liegen weit unter den Preisen im EU ETS.
Einnahmen aus dem CO₂-Zertifikatehandel
Mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel finanzieren EU und Bund Förderprogramme für Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre CO₂-Emissionen reduzieren können. So stehen etwa Mittel für die Dekarbonisierung von Industrieprozessen bereit, für energetische Sanierungen oder den Umstieg auf Elektrofahrzeuge. Von diesen Programmen profitiert auch der Mittelstand, ganz gleich ob er direkt oder nur indirekt vom CO₂-Zertifikatehandel betroffen ist.