28.03.2025

Droht jetzt der Schulden-Tsunami?

Vielleicht, vielleicht auch nicht: Der Teufel steckt mal wieder im Detail.

Mehrere Euroscheine
Mehrere Euroscheine

So langsam glätten sich die Wogen. Und die Gemüter beruhigen sich nach den noch durchs alte Parlament gepeitschten Grundgesetzänderungen, die das geplante XXL-Schuldenpaket für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz ermöglichen. Die nun umsetzbare Neuverschuldung ist gigantisch.

Entsprechend rasch zogen auch die Zinsen für Staatsanleihen an: Investoren erwarten, dass den Worten Taten folgen und ein Bund-Emissions-Tsunami droht. Aber das muss nicht unbedingt so kommen. Denn die Grundgesetzänderung war der einfache Teil. Viel schwieriger wird es, die Mittel jetzt auch zeitnah und sinnvoll einzusetzen.

Wie viel Geld wird wirklich fließen?

Schauen wir auf die Ausgaben für Verteidigung. Woher sollen die Kapazitäten kommen? Deutschlands größter Rüstungskonzern, Rheinmetall, erlöste im vergangenen Jahr weniger als 10 Mrd. EUR Umsatz, und seine Orderbücher sind über Jahre prall gefüllt. Nun sollen womöglich noch Hunderte von Milliarden an Bestellungen für die Verteidigung dazukommen. Wer kann das liefern? Denken Sie daran, dass vom „Zeitenwende“-Sondervermögen für die Bundeswehr aus dem Jahr 2022 in Höhe von 100 Mrd. EUR erst etwa ein Viertel abgerufen ist, obwohl es Ende kommenden Jahres ausläuft. Ganz so schnell, wie von den Anleiheinvestoren angenommen, wird es also nicht gehen.

Ähnliches gilt für das 500 Mrd. EUR starke Sondervermögen für Infrastruktur- und Klimainvestitionen. Auch in der Baubranche sind die Kapazitäten beschränkt und müssen sich erst der wachsenden Nachfrage anpassen. Außerdem bleiben schon jetzt jedes Jahr Mittel im Haushalt über, weil die komplexen Vergabe- und Genehmigungsrichtlinien es verhindern, sie rechtzeitig auszugeben. Um Abhilfe zu schaffen, muss die Regierung die Verwaltung umfassend reformieren und Prozesse verschlanken. Ob das so zügig geht? Auch hier dürfte gelten, dass der größere Verschuldungsrahmen nicht notwendigerweise zu einem massiven oder gar raschen Anstieg der Investitionen führt.

Je nachdem, wie schnell die Gelder fließen können, wie hoch schließlich die Zielgröße für Verteidigungsausgaben liegt, wie sich Potenzialwachstum, Inflation und Zinsen verändern, können sich sehr unterschiedliche Verläufe der Schuldenquote ergeben (siehe Abbildung).

Verlauf der Schuldenquote unter verschiedenen Szenarien

in %

Quelle: LBBW Research

Im schlimmsten Fall kann sie dreistellig werden, im besten Fall reduziert das steigende Wachstumspotenzial die Schuldenquote auf ein Niveau, das sie bei unveränderter Fiskalpolitik auch ohne Grundgesetzänderung bis zur Jahrhundertmitte erreicht hätte. Denn angesichts des mickrigen Potenzialwachstums von nicht mehr als 0,5 % jährlich und des für dieses Jahr geschätzten Defizits des Gesamtstaates (inklusive Sozialversicherungen) von 1,7 % des BIP würde die Schuldenquote bei einfacher Fortführung des Status Quo mittelfristig auf mehr als 70 % anwachsen. Und das ist noch geschönt, denn die in den Sondierungsgesprächen bereits eingetüteten Wahlgeschenke werden das Defizit weiter aufblähen. In diese Kategorie fallen Agrardiesel, Mütterrente, Steuernachlass für Gastronomen und Erhöhung der Pendlerpauschale. Fazit: Eine solide Prognose über Deutschlands Schuldenpfad ist derzeit noch nicht möglich.

Sollte es indes gelingen, die Mittel schnell auszugeben, ist auch das nicht ohne Risiko. Nicht nur hierzulande sind die Renditen für Staatsanleihen deutlich gestiegen, sondern auch in Ländern wie Frankreich oder Italien. Das verschärft deren prekäre Haushaltslage zusätzlich. Deutschland kann sich die höheren Schulden und Zinskosten noch leisten. Aber anderswo wächst das Risiko eines Schulden-Showdowns.

Chefvolkswirt Dr. Moritz Kraemer

Deutschland kann sich die höheren Schulden und Zinskosten noch leisten. Aber anderswo wächst das Risiko eines Schulden-Showdowns.

Dr. Moritz Kraemer Chefvolkswirt und Leiter Research

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