Warum Biesterfeld jetzt ein „nachhaltiges“ ABCP-Programm hat
Ein Chemie-Distributeur als „Sustainable Finance“-Pionier: Biesterfeld koppelt sein ABCP-Programm jetzt an Nachhaltigkeitskriterien – eingefädelt von der LBBW.
Fragen kostet ja nichts. „Können Sie sich vorstellen, Ihr ABCP-Programm künftig an nachhaltige Kriterien zu koppeln?“, fragte die LBBW also bei Biesterfeld an. Ja, das konnte sich der Hamburger Chemie-Distributeur vorstellen, sehr gut sogar. Die Folge: Seit Sommer 2022 refinanziert Biesterfeld seine Handelsforderungen über das deutschlandweit wohl erste nachhaltig ausgerichtete ABCP-Programm.
ABCP steht für Asset Backed Commercial Papers, das sind mit substanziellen Forderungen (Assets) abgesicherte (backed) Wertpapiere (Commercial Papers). Vereinfacht dargestellt geht das so: Die LBBW bündelt für Unternehmen deren ausstehende Forderungen aus Lieferung und Leistung in Wertpapiere und verkauft diese am Kapitalmarkt. So kommen die Unternehmen schneller an ihr Geld. Dank ABCP müssen sie nicht darauf warten, bis ihre Rechnungen bezahlt werden. Durch den Verkauf der Forderungen gewinnen sie Liquidität und damit Handlungsspielräume.
Nachhaltig finanziert: erst Schuldschein, jetzt ABCP
So handhabt es auch Biesterfeld seit vielen Jahren. Das 1906 gegründete Familienunternehmen ist einer der weltweit führenden Distributeure für Kunststoffe, Kautschuk und Spezialchemikalien. Gut 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen sich auf über mehr als 50 Standorte in der ganzen Welt. 2021 kam die Biesterfeld AG als Holding der verschiedenen Geschäftsbereiche auf einen Umsatz von 1,37 Milliarden Euro. „Wir wachsen seit Jahren dynamisch im Schulterschluss mit unseren Lieferanten“, sagt Biesterfeld-CFO Kai Froböse. Zuletzt hat sich Biesterfeld mit der Übernahme eines führenden Distributeurs in Südostasien den Markteintritt in einer der wachstumsstärksten Regionen der Welt gesichert. „Biesterfeld befindet sich zudem zu 100 Prozent in Familienbesitz, ist sehr solide aufgestellt und weist eine sehr stabile Finanzierungsstruktur auf“, sagt CFO Froböse. „Nach dem ESG-Schuldschein koppeln wir nun auch unsere Refinanzierung über ABCP konsequent an unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten.“
Nach dem ESG-Schuldschein koppeln wir nun auch unsere Refinanzierung über ABCP konsequent an unsere Nachhaltigkeitsaktivitäten.
„Die Refinanzierung über ABCP ist seit vielen Jahren fester Bestandteil unserer im Wortsinn nachhaltigen, also langfristig und dauerhaft angelegten soliden Finanzierungsstrategie. Die ABS-Refinanzierung mit der LBBW läuft seit Jahren problemlos“, sagt Thomas Rogall, Director Finance and Accounting bei Biesterfeld. „Als Familienunternehmen denken wir in Generationen und legen großen Wert darauf, unsere wirtschaftlichen Ziele in Einklang mit ökologischen und sozialen Aspekten zu bringen. Entsprechend offen waren wir für den Vorschlag, nach dem Schuldschein mit ESG-Link auch das ABCP-Programm nachhaltig auszurichten.“
Den Schuldschein mit Nachhaltigkeitskomponente hatte Biesterfeld im Jahr zuvor begeben. Damals wurde intensiv diskutiert: Wie stark soll sich nachhaltiges Wirtschaften auf die Zinsen auswirken? Wie soll die Nachhaltigkeit gemessen werden? Auf die zweite Frage gab es rasch eine Antwort: Der Chemie-Distributeur baut seine Nachhaltigkeitsaktivitäten seit Jahren kontinuierlich aus und lässt diese Entwicklung transparent durch ein Nachhaltigkeitsrating von Ecovadis analysieren. Die ESG-Ratingagentur untersucht jährlich detailliert, wie verantwortungsbewusst das Unternehmen bei den Kriterien E wie Environment, also Umwelt, S wie Social und G wie Governance (das steht für gute Unternehmensführung) agiert. Biesterfeld zählt im ESG-Rating aktuell zum besten Viertel der von Ecovadis untersuchten Unternehmen.
Steigt das ESG-Rating, sinkt die Marge
Aufgrund dieses Ratings legte Biesterfeld damals für den Schuldschein gemeinsam mit der LBBW fest: Sinken die Hamburger im ESG-Rating um 5 Punkte, werden die Zinsen angehoben, sozusagen als Strafe. Steigt das Rating der Biesterfeld AG um 5 Punkte, wird diese Entwicklung mit sinkenden Zinsen belohnt. Im Zeitverlauf werden diese Grenzen angehoben, was Biesterfeld motiviert, sich stetig weiterzuentwickeln. Diese Logik wird jetzt einfach auf das ABCP-Programm übertragen.
Die Refinanzierung über ABCP ist seit vielen Jahren fester Bestandteil unserer im Wortsinn nachhaltigen, also langfristig und dauerhaft angelegten soliden Finanzierungsstrategie.
„Egal in welche Richtung sich das Rating bewegt: Der Unterschied in der Marge wird auf jeden Fall in Umweltprojekte gesteckt“, sagt Steffen Bahnmüller, ABS-Experte der LBBW. Diese Projekte – von A wie Aufforstung bis W wie Wasserkraft – werden gemeinsam mit Biesterfeld ausgewählt. „Wir unterstützen seit Längerem ein Projekt in Malawi, bei dem es um die Förderung von Brunnenanlagen für eine saubere Trinkwasserversorgung geht“, sagt Biesterfelds Head of Treasury Marie Tack. „Neben der Reparatur beschädigter Wasserstellen erhalten die Menschen vor Ort Schulungen, um den Aufbau, die Wartung und den Betrieb der Bohrlöcher eigenverantwortlich durchzuführen. So kann das Wasser direkt ohne weitere Aufbereitungsmaßnahmen getrunken werden.“
ESG-linked ABCP: Chance auch für andere Unternehmen
Die unterstützten Umweltprojekte sind ein Clou bei dieser ABCP-Vereinbarung – und eher eine Ausnahme. „Unsere Kunden freuen sich, wenn sie aufgrund ihrer ESG-verlinkten Finanzierungen eine geringere Marge zahlen müssen“, sagt LBBW Experte Bahnmüller. Die LBBW wird die neue Option – nachhaltig ausgestaltete ABS-Programme – jetzt auch anderen Kunden anbieten. „Haben die Unternehmen bereits ein ESG-Rating, geht das absolut problemlos“, sagt Bahnmüller, „ansonsten müssen wir eben ein bisschen mehr Hirnschmalz in die Ausgestaltung stecken.“
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Sascha Chevalier
Sascha Chevalier ist Head of Origination im Segment Securitization Trade Receivables der LBBW und berät große Mittelständler und Konzerne seit mehr als 20 Jahren bei komplexen Fragestellungen zum Thema Working Capital Management.