Wie sich die Sammlung LBBW mit dem „Spiegel der Gesellschaft“ auseinandersetzt
Ein fachkundiges Kuratorium garantiert, dass sich die Sammlung LBBW ständig weiterentwickelt – so wie die gesellschaftlichen Themen, die sie reflektiert.
Warum gibt es die Sammlung LBBW – oder anders gefragt: Warum sammelt eine Bank überhaupt Kunst?
Sarah Haberkorn, Leiterin der Sammlung LBBW: Die Ursprünge der Sammlung reichen über 50 Jahre zurück – in eine Zeit, in der sich einige deutsche Unternehmungssammlungen gründeten. Grundsätzlich muss man wissen, dass die Sammlung LBBW, historisch betrachtet, durch ihre Vorgängerinstitute und Fusionen aus einer Zusammenführung von verschiedenen Kunstsammlungen mit unterschiedlichen Konzepten besteht.
Thorsten Schönenberger, Vorstand der LBBW: Dabei war es schon ein früher Grundgedanke, dass der Aufbau der Sammlung nicht nur dazu dienen soll, die Geschäftsräume repräsentativ auszustatten. Sie wird auch nicht als eine Wertanlage betrachtet. Stattdessen wird die Sammlung bis heute als ein kulturelles Engagement der LBBW gesehen. Es geht darum, die Kunst zu erhalten, zu fördern sowie sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Gibt es bestimmte Kriterien, nach denen gesammelt wird?
Sarah Haberkorn: Wir orientieren uns seit 2018 an einem konkreten Sammlungskonzept. Der Fokus liegt auf Werken, die am Produktionsstandort Deutschland oder von deutschen Künstlerinnen und Künstlern innerhalb der letzten Dekade entstanden sind. Dabei lassen sich in der Sammlung alle künstlerischen Medien wiederfinden: von Gemälden bis hin zu Skulpturen und Medienkunst. Inhaltlich blickt die LBBW mit ihrer Kunstsammlung ganz bewusst hinter die Normen und setzt sich mit gesellschaftlich wichtigen Fragen auseinander, wie zum Beispiel dem Natur-Mensch-Verhältnis, Fragen zur Ökonomisierung oder Migration und kultureller Identität. Die gesammelten Kunstwerke könnten somit in gewissen Teilbereichen als ein Spiegel der Gesellschaft betrachtet werden.
Kunst gibt keine direkten Antworten, aber spiegelt damit genau diese Komplexität wider, mit der wir uns als Gesellschaft konfrontiert sehen.
Wer sucht die Kunst aus, die in die Sammlung LBBW aufgenommen wird?
Thorsten Schönenberger: Dafür wird von mir ein fachkundiges Kuratorium einberufen, das sich größtenteils aus Expertinnen und Experten aus den verschiedensten Bereichen der Kunstwelt sowie einer weiteren Vorständin der Bank zusammensetzt. Die Mitglieder bringen ihre Fachkenntnisse durch Vorschläge, Empfehlungen und Diskussionen ein. Dadurch richten sich die Neuerwerbungen nach keinem einzelnen subjektiven Geschmack oder einer vergänglichen, rein dekorativen Ästhetik. Dies wird sozusagen durch ein Viel-Augen-Prinzip und damit einhergehende unterschiedliche Sichtweisen garantiert.
Von den Kunstwerken erfährt die Öffentlichkeit wenig, wenn die Werke nur innerhalb von LBBW-Räumlichkeiten zu sehen sind …
Sarah Haberkorn: Deshalb ist es uns wichtig, die Kunst regelmäßig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dafür nutzen wir unterschiedliche Formate. So pflegt die LBBW langjährige Kooperationspartnerschaften mit dem Kunstmuseum Stuttgart sowie mit der Kunsthalle Mannheim. Umfangreiche Ausstellungen wie im ZKM in Karlsruhe oder zuletzt im Kunstmuseum Stuttgart anlässlich des Sammlungsjubiläums geben Einblicke in den Sammlungskern. Sowohl ihren Partnern als auch anderen Institutionen stellt sie Werke ihrer Sammlung als Leihgabe zur Verfügung. Zudem nutzen wir thematische Messepräsentationen, wie auf der Art Cologne oder der Art Karlsruhe, um mit dem Publikum in einen direkten Dialog zu treten. Aber auch an unserem Hauptstandort in Stuttgart öffnen wir immer wieder unsere Türen, wie zum Beispiel zur Langen Nacht der Museen.
Inhaltlich setzt sich die LBBW mit ihrer Kunstsammlung mit gesellschaftlich wichtigen Fragen auseinander. Die gesammelten Kunstwerke könnten somit als ein Spiegel der Gesellschaft betrachtet werden.
Inwiefern unterstützt die Sammlung LBBW die eigene Unternehmenskultur?
Thorsten Schönenberger: Wir als Bank bekennen uns zu Kunst als einer wertvollen Facette unserer Unternehmenskultur, die wir bewahren und fördern wollen. Die Sammlung kann den Wertekanon reflektieren und eine Auseinandersetzung damit unterstützen. Darin liegt ein großes Potenzial, denn daraus entwickeln sich neue Perspektiven und Impulse. Die Kunst kann anregen, irritieren, auf Missstände und Gegebenheiten verweisen und vor allem Fragen auslösen. Sie gibt in der Regel keine direkten Antworten, aber spiegelt damit genau diese Komplexität wider, mit der wir uns als Gesellschaft konfrontiert sehen. Dies trägt nicht nur zu einem bedeutenden Beitrag in einem größeren Kontext bei, sondern auch innerhalb eines Unternehmens wie der LBBW.
Den Kuratoriumsvorsitz hat LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger inne. Die Mitglieder des Kuratoriums sind aktuell Prof. Dr. Dirk Boll (Christie's EMEA: Vorstand für Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts), Dr. Ulrike Groos (Direktorin Kunstmuseum Stuttgart), Sarah Haberkorn (Leiterin Sammlung LBBW), Johan Holten (Direktor Kunsthalle Mannheim), Dr. Nadia Ismail (Direktorin Kunsthalle Gießen), Dr. Gregor Jansen (Direktor Kunsthalle Düsseldorf), Thomas Locher (Künstler und ehem. Rektor der HGB Leipzig), Dr. Ulrike Lorenz (Präsidentin der Klassik Stiftung Weimar) und Ann-Kristin Stetefeld (Vorständin BW-Bank).
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 21.02.2024