08.03.2024
Büros in attraktiver Innenstadtlage sind sehr begehrt
Warum sind die Büros in City-Lage gefragt und die in Randlagen nicht? Die Antwort weiß Patrick Walcher, Bereichsvorstand Immobilienfinanzierung bei der LBBW.
In Deutschland steht jedes achte Büro leer. Tendenz: steigend. Das LBBW Research sieht in einer aktuellen Studie„die Gefahr einer sich selbstverstärkenden Abwärtsspirale“. Für dieses Jahr sehen die LBBW-Analysten „ähnlich wachsende Leerstände wie 2023 – und in den Jahren danach werden die Leerstandsquoten ebenfalls steigen“. Was kommt da auf uns zu? Darüber hat Standpunkt mit Patrick Walcher, dem LBBW-Bereichsvorstand für Immobilienfinanzierung, gesprochen.
Standpunkt: Das Angebot an Büroflächen steigt, die Nachfrage sinkt …
Patrick Walcher: Moment mal: So pauschal stimmt das nicht. Wir müssen die aktuelle Situation differenziert betrachten. Die Nachfrage nach energieeffizienten Büroflächen in der Innenstadt wächst. Denn je urbaner und damit attraktiver die Büros sind, das zeigt sich jetzt, desto leichter lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro locken. Für solche Büros in City-Lage sind Unternehmen bereit, sogar höhere Mieten zu zahlen. In diesem – zugegebenermaßen engen – Marktsegment gibt es einen spürbaren Nachfrageüberhang.
Standpunkt: Wie lässt sich diese Nachfrage bedienen? Die Innenstädte sind ja bereits sehr verdichtet bebaut. Wo sollen da neue Bürogebäude hin?
Patrick Walcher: Das wird schwierig. Der Gedanke liegt natürlich nahe, bestehende Gebäude – etwa Kaufhäuser oder Hotels – umzuwandeln in Büros. Theoretisch ist es tatsächlich möglich, die Nutzungsart zu ändern. Das Problem: Das wird sehr teuer und rechnet sich daher eher selten. Deshalb wird eher ein Bürogebäude zum Hotel als umgekehrt.
Standpunkt: Es sei denn, es wird stadtplanerisch eingegriffen …
Patrick Walcher: Niemand mag Bürokomplexe, in denen sich nach Feierabend kein Mensch mehr aufhält und der Wind kalt um die Ecken fegt. Wir alle wollen Innenstädte, in denen Leben und Arbeiten, Einkaufen und Wohnen ineinandergreifen. Machbar ist alles, aber das wird ein langer und vor allem teurer Weg. Und an den ökonomischen Anreizen fehlt es im Moment.
Je urbaner und damit attraktiver die Büros sind, desto leichter lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Homeoffice ins Büro locken.
Standpunkt: Werden Bürobauten in seelenlosen Gewerbegebieten also trotzdem weiterhin Mieter finden und halten?
Patrick Walcher: Auch das lässt sich so pauschal nicht sagen. Bei diesen Bauten werden ja ebenfalls Investitionen fällig, um beispielsweise die gesetzlich geforderten Standards an Energieeffizienz zu erreichen. Doch diese Investitionen rentieren sich nur, wenn zugleich eine gewisse Mindestmiete verlangt werden kann – und auch gezahlt wird. Sonst lohnt sich das nicht. Deshalb werden einige der Bürobauten auf der grünen Wiese wohl als sogenannte Stranded Assets enden – also Vermögenswerte mit erheblichen Wertverlusten bis hin zum Totalverlust.
Standpunkt: Was tun mit diesen Stranded Assets – abreißen?
Patrick Walcher: Das ist der letzte Ausweg. Vorher werden die Eigentümer alle Optionen ziehen, um einen Leerstand zu vermeiden. Denn Immobilien werden mit keinem Tag besser, an dem sie leer stehen.
Standpunkt: Auch in den nachgefragten Innenstadtlagen werden einige Büros leer stehen: Weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattdessen im Homeoffice arbeiten.
Patrick Walcher: Das Homeoffice verändert die Bürowelt, das stimmt. Es ist eine neue Ära angebrochen, die mehr Offenheit bringt, was die Arbeitsformen angeht. Diese neue Ära verlangt uns zugleich mehr Flexibilität ab. Vielleicht haben wir nicht jeden Tag, in dem wir ins Büro kommen, denselben Schreibtisch. Vielleicht werden die Büroräume mit attraktiven Gemeinschaftsflächen umgestaltet. Persönlich glaube ich nicht, dass das Homeoffice das Büro komplett ablösen kann oder will. Was Kreativität und den Aufbau von Team-Spirit angeht, dafür müssen Menschen zusammenkommen. Das kann keine Videokonferenz ersetzen. Mein Gefühl: Wir sind gerade in einer Findungsphase, wie wir künftig zusammenarbeiten wollen.
Standpunkt: Wenn wir dauerhaft verstärkt am heimischen Schreibtisch arbeiten, kommen unsere Arbeitgeber mit weniger Büroflächen aus – und sparen damit Geld. Merken Sie diesen Trend?
Patrick Walcher: Zum einen gibt es viele Unternehmen, bei denen das Homeoffice kein Thema ist – oder kein Thema sein kann, weil Präsenz vor Ort erforderlich ist. Andererseits kenne ich tatsächlich Unternehmen, die ihre Büroflächen reduziert haben. Die sparen damit nicht immer Geld, weil sie stattdessen attraktivere – und damit teurere – Büros angemietet haben.
Standpunkt: Lassen Sie mich raten: Büros in City-Lage?
Patrick Walcher: Um die Büros in attraktiver Innenstadtlage kloppen sich alle und es besteht ein deutlicher Nachfrageüberhang. Trotzdem geht es derzeit mit den Vermietungen nur zäh voran und tatsächliche Abschlüsse dauern dann im derzeitigen, etwas eingetrübten konjunkturellen Umfeld häufig sehr lang.
Eigentümer werden alle Optionen ziehen, um einen Leerstand zu vermeiden. Denn Immobilien werden mit keinem Tag besser, an dem sie leer stehen.
Standpunkt: Wann kommt denn wieder etwas mehr Bewegung in den Investmentmarkt?
Patrick Walcher: Wir gehen davon aus, dass wir dieses Jahr die Talsohle der Preise sehen werden. Bis dahin könnte es allerdings zu mehr Insolvenzen, schnell steigenden Risiken durch Bewertungsabschläge in den Portfolien der Banken oder weiteren Liquiditätsengpässen bei den Entwicklern kommen. Doch wenn die Zukunftsfähigkeit stimmt, finden sich Mieter, Investoren und auch finanzierende Banken.
Standpunkt: Was ist mit den bereits vorhandenen Bürogebäuden?
Patrick Walcher: Für Büroimmobilien wird 2024 sicherlich noch mal etwas holperig werden, auch wenn vermutlich ebenfalls ein guter Teil des Preisrückgangs hinter uns liegt. Der weitverbreitete Pessimismus bei den Marktteilnehmern kann dazu führen, dass ein fundamental gerechtfertigtes Preisniveau unterschritten wird – Kaufpreise also stärker sinken als notwendig. Aber wie schon gesagt: Zukunftsfähige Objekte, also nachhaltig und in guter Lage, sind auch aktuell sehr gefragt. Umgekehrt sind energieineffiziente, also „braune“ Objekte, in schlechten Lagen sehr schwer vermittelbar. Dort wird es Stranded Assets geben.
Standpunkt: Stranded Assets eher an den Randlagen, Nachfrageboom in den Innenstädten. Wenn das so weitergeht, wie sieht es mit dem Markt für Büroimmobilien im Jahr 2030 aus?
Patrick Walcher: Durch die Rezession und den Trend zum Homeoffice findet ein Strukturwandel statt. Wir sind gerade mittendrin in dieser Transformation. Wovon ich fest überzeugt bin: Wir werden auch 2030 weiterhin in Büros arbeiten. Und darüber schmunzeln, wie erbittert heute darüber gestritten wird, ob Homeoffice oder Büro die richtige Arbeitsform ist. Die Antwort lautet: natürlich beides!