11.10.2023
Die fehlenden Ladesäulen für E-LKW sind derzeit der Flaschenhals
Warum sind so wenig elektrisch angetriebene LKW auf den Straßen? Am fehlenden Angebot liegt es jedenfalls nicht, weiß LBBW-Sektorexpertin Anna-Maria Schäfer.
LBBW Standpunkt: Elektro-PKW sind mittlerweile im Markt und auf der Straße angekommen. Warum ist die Situation bei elektrisch angetriebenen LKW eine andere?
Anna-Maria Schäfer: An der Technik liegt es nicht ausschließlich, es sind bereits vielversprechende Konzepte entwickelt und Lösungen vorgestellt worden. Doch gerade die spezifischen Leistungsanforderungen an das Arbeitsgerät eines Transportunternehmens sind hier zu berücksichtigen. Bei leichten Nutzfahrzeugen und Transportern bis 7,5 Tonnen sind alternative Antriebe bereits häufiger im Einsatz, bei den schweren LKW-Klassen hingegen ist die Markt- und Serienreife noch nicht voll überzeugend. Entsprechend wenig Fahrzeuge stehen tatsächlich zur Verfügung, die Marktanteile bei den Absatzzahlen liegen aktuell noch im unteren einstelligen Prozentbereich.
LBBW Standpunkt: Was ist mit den Ladesäulen? LKW müssen doch länger laden …
Schäfer: Das ist tatsächlich ein Flaschenhals. LKW müssen zuverlässig und schnell einsatzfähig sein. Wenn sie nicht fahren, verdienen sie kein Geld. Doch das Netz der geeigneten Ladesäulen ist derzeit noch ziemlich löchrig. Von den sogenannten Megawatt-Chargern, die Nutzfahrzeuge schnell wieder aufladen, werden erst jetzt die ersten installiert. Da arbeiten LKW-Hersteller, Zulieferer, Energieversorger sowie Forschungseinrichtungen bereits Hand in Hand, aber in diesem Bereich muss noch einiges passieren. Um nur eine der Herausforderungen herauszugreifen: LKW-Fahrer wollen nicht fünf Karten für fünf Ladesysteme, sondern ein überall verbindliches System, wie es an herkömmlichen Tankstellen üblich ist.
LBBW Standpunkt: Aber es hängt doch nicht allein an den fehlenden Ladesäulen?
Schäfer: Im Straßengüterverkehr herrscht ein immenser Preisdruck. Die Margen sind eher niedrig, also schaut jedes Unternehmen, bevor es investiert, ob und wann sich die Investition rechnet. Ein wesentlicher Aspekt sind die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership). Gerade bei den neuen Antrieben – ob batterieelektrisch, mit Brennstoffzelle oder Wasserstoff – sind viele Faktoren bzw. Kostenpositionen noch nicht klar kalkulierbar. Die Entscheidung für oder gegen die Anschaffung eines entsprechenden Fahrzeugs ist also noch mit einiger Unsicherheit behaftet. Grundsätzlich sollte ein neues Fahrzeug drei Anforderungen genügen: Die Reichweite muss stimmen, die Tank- oder Ladeinfrastruktur muss stimmen und nicht zuletzt muss die technische Verlässlichkeit stimmen. Diesel-LKW schrubben eine Million Kilometer herunter, ohne dass es großartig Probleme gibt – so weit sind wir bei den alternativen Antrieben noch nicht.
LKW-Fahrer wollen nicht fünf Karten für fünf Ladesysteme, sondern ein überall verbindliches System, wie es an herkömmlichen Tankstellen üblich ist.
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Standpunkt empfangenLBBW Standpunkt: Ohne ein ausreichend dichtes Netz von Ladesäulen ist die Reichweite gerade bei LKW ja ein echtes Problem …
Schäfer: Nicht unbedingt. Insbesondere im Verteiler- und Kurzstreckenverkehr muss es nicht zwangsläufig zu Engpässen kommen. Die Tagesfahrleistung kann problemlos mit einer Batterieladung geschafft werden. Über Nacht kann dann wieder aufgeladen werden, um am nächsten Tag mit voller Leistung wieder loszulegen.
LBBW Standpunkt: Bei Lastern, die im Fernverkehr quer durch Europa unterwegs sind, sieht das anders aus.
Schäfer: Das stimmt, und deshalb sind die Entwicklungen im Schwertransport längst noch nicht abgeschlossen. Auch hier ist es wichtig, ausgereifte und funktionierende alternative Antriebstechnologien nebst Service-, Wartungs- und Reparaturinfrastruktur vorzufinden. Hinzu kommen ausreichende und sichere Versorgungsinfrastrukturen, also ein Netz von Ladesäulen, das europaweit ein schnelles Aufladen ermöglicht. Allerdings stellt sich beim Fernverkehr mit Reichweiten über 500 Kilometer die Frage, ob E-Batterien wirklich die beste Option sind. Denn die Akkupacks der Batterie haben ein enormes Eigengewicht, was bei der zulässigen Gesamtnutzlast des LKW berücksichtigt werden muss. Hinzu kommen die notwendigen Ladezeiten, die idealerweise mit den Pausenzeiten der Fahrer kombinierbar sein sollten. Hierfür braucht es aber die bereits erwähnten Schnellladestationen, die Megawatt-Charger.
LBBW Standpunkt: Das erklärt die Zurückhaltung beim Kauf von E-LKW. Warum herrscht dieselbe Zurückhaltung auch bei Wasserstoff- und anderen Antrieben?
Schäfer: Die Hersteller arbeiten an der Entwicklung verschiedener Antriebstechnologien, vor allem Brennstoffzellen mit Wasserstoff klingen vielversprechend. Hier laufen erste Pilotprojekte, aber es ist nicht klar, welche Technologie sich durchsetzen wird. Großes Potenzial wird dem Wasserstoff-LKW unterstellt, da er vergleichbare Leistungsprofile wie der konventionelle Diesel-LKW erfüllt. Der Flaschenhals ist aber auch hier eine ausreichende Tankinfrastruktur, zumindest entlang der Logistikrouten. In Summe sind LKW mit neuen, innovativen Antrieben und der dazugehörigen Peripherie noch deutlich kostenintensiver als die herkömmlichen Lösungen.
Die Zukunft des LKW ist elektrisch
LBBW Standpunkt: Dabei wird der Kauf von LKW mit alternativen Antrieben doch staatlich gefördert. Hilft das nicht?
Schäfer: Es gibt eine staatliche Förderstrategie mit vielfältigen Förderprogrammen rund um die Neuanschaffung von energieeffizienten und CO2-armen Nutzfahrzeugen, doch die sind nicht immer einfach zu knacken. Man muss sich schon tief in die einzelnen Themenbereiche eingraben, um das passende Programm für sein Vorhaben zu identifizieren und nutzen zu können. Manchmal muss man auch schnell sein: Einige Maßnahmen oder Fördertöpfe sind zeitlich befristet oder beim Fördervolumen gedeckelt.
LBBW Standpunkt: Gleichzeitig gibt es ja gesetzlichen Druck, auf umweltfreundlichere Antriebe umzusteigen.
Schäfer: Bis 2025 müssen schwere Nutzfahrzeuge ihren CO2-Ausstoß pro Kilometer um mindestens 15 Prozent im Vergleich zu 2019/2020 verringern. Dafür müssen sie nicht auf elektrisch angetriebene LKW umsteigen, das schaffen auch effizientere Dieselmotoren. Bis 2030 muss der CO2-Ausstoß allerdings um mindestens 30 Prozent reduziert werden – und das schafft keine Dieselflotte mehr. Da kommt ordentlich Schub von hinten, und darauf muss sich die Logistikbranche einstellen. Und sie stellt sich darauf ein: Selbst eine Reduktion um 40 Prozent bis 2030 ist mittlerweile möglich.
LBBW Standpunkt: Also geht es jetzt los mit der Elektrifizierung der LKW-Flotten?
Schäfer: Das Angebot an Nutzfahrzeugen wird kontinuierlich erweitert. Kein Logistiker kauft auf Verdacht. Die prüfen im Vorfeld: Wie passen die neuen LKW in meine Dispo? Was brauche ich wann wofür? Logistiker bleiben gerne so flexibel wie möglich und überlegen, was sie kaufen sollten und was sie besser dazumieten. Da wird Leasing – da beraten wir natürlich gerne – zu einer attraktiven Alternative.
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Anna-Maria Schäfer
Aufbauend aus der Expertise, die sie sich bei der Unternehmensberatung McKinsey für die Autoindustrie aneignete, hat sich Anna-Maria Schäfer sukzessive in die Aufgaben, Funktionen und Prozesse von Transport- und Logistikanbietern vertieft. Dieser für unseren Wirtschaftskreislauf so signifikant wichtige Sektor wird häufig unterschätzt. Anna-Maria Schäfer ist zuversichtlich, dass mit passgenauen Finanzierungslösungen für die Branche auch perspektivisch viel bewegt werden kann.