06.06.2023
Gold bleibt auf Rekordkurs
Der Goldpreis tastet sich an seinen historischen Höchststand heran. Warum der Aufwärtstrend anhalten könnte, erläutert LBBW-Rohstoffexperte Frank Schallenberger.
LBBW Standpunkt: Der Goldpreis bewegt sich seit drei Jahren wie ein Fahrstuhl rauf und runter. Zuletzt ging die Fahrt zügig nach oben fast bis an die Rekordmarke von 2.075 Dollar heran. Seitdem legt Gold eine Verschnaufpause ein. Zeit für die Passagiere auszusteigen, Herr Schallenberger?
Frank Schallenberger: Das sehe ich nicht. Wir rechnen damit, dass der Preis für die Unze Gold Ende dieses Jahres bei 2.100 Dollar und Mitte kommenden Jahres bei rund 2.200 Dollar liegen wird – also auf neuem Rekord. Für die kommenden zwölf Monate besteht beim Gold aus unserer Sicht somit ein Kurspotenzial von über 10 Prozent.
LBBW Standpunkt: Was macht Sie da so sicher?
Schallenberger: Was ist schon sicher in dieser Zeit? Wir gehen von einem Basisszenario aus, für das wir in den kommenden zwölf Monaten eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit sehen. Es gibt viele mögliche Entwicklungen und Ereignisse, die den Goldpreis beeinflussen. Die lassen sich nicht alle zuverlässig voraussagen. Prognosen betreffen die Zukunft, das macht sie eben so schwierig (lacht).
LBBW Standpunkt: Was treibt den Goldpreis an?
Schallenberger: Ganz wesentlich der Ruf als sicherer Anlagehafen und Vermögensschutz. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflationsschock und zuletzt im Frühjahr ein drohender Bankenkollaps – jedes Mal ging der Preis zu Anfang dieser ernsten Krisen nach oben. Die vergangenen Jahre haben gezeigt: Wenn ich in meinem Portfolio einen Teil Gold halte, ist das ein Ausgleich, sollte es an den Wertpapierbörsen turbulent zugehen und andere Anlageklassen wie etwa Aktien an Wert verlieren. Mit Gold können Anlegerinnen und Anleger also definitiv ruhiger schlafen.
Auf Sicht der kommenden zwölf Monate besteht beim Gold ein Kurspotenzial von über 10 Prozent.
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Standpunkt empfangenLBBW Standpunkt: Krisen werden hoffentlich nicht zum Dauerzustand. Wer kauft Gold, wenn es nicht gerade kriselt?
Schallenberger: Die größte und gleichzeitig stabilste Käufergruppe ist die Schmuckindustrie. Auf sie entfällt über den Daumen gepeilt etwa die Hälfte der weltweiten Goldnachfrage. Interessant zu beobachten ist, dass die Nachfrage von dieser Seite in den vergangenen Monaten nur wenig zurückgegangen ist, obwohl sich die Weltkonjunktur abgekühlt hat und man annehmen könnte, dass sich die privaten Haushalte aufgrund der hohen Inflation mit Luxusausgaben zurückhalten.
LBBW Standpunkt: Und wer kauft die andere Hälfte des Goldes, das auf den Markt kommt?
Schallenberger: Vor allem die Notenbanken. Sie haben im vergangenen Jahr bei ihren Goldkäufen einen neuen Rekord aufgestellt. Mal zum Vergleich: Die Nachfrage aus dem Schmuckbereich liegt stabil bei ungefähr 2.200 Tonnen pro Jahr. Die Notenbanken haben im Jahr 2022 knapp 1.100 Tonnen gekauft. Im Jahr davor waren es 450 Tonnen. Das ist wirklich erstaunlich!
LBBW Standpunkt: Was ist denn der Grund dafür? Hamstern die Währungshüter das viele Gold, weil sie fürchten, dass das Papiergeld auf Dauer nichts mehr wert ist?
Schallenberger: Wohl eher nicht. Die Notenbanken schichten vor allem ihre Währungsreserven um. Sie diversifizieren ihr Vermögen, anstatt alle Eier in einen Korb zu legen. Das sollten übrigens auch Privatanlegerinnen und -anleger immer beherzigen. Jahrelang haben die großen Notenbanken ihre Reserven vorwiegend in US-amerikanischen Staatsanleihen angelegt. Viele dieser Papiere haben durch den schnellen Zinsanstieg in den USA stark an Wert verloren. Wenn nun auch noch der Dollar ins Trudeln kommen sollte, würde das ihre Bilanzen tiefrot färben. Das möchten die Notenbankchefs naheliegenderweise verhindern, auch, weil damit ihr Job in Gefahr geraten würde.
LBBW Standpunkt: Spricht nicht auch das hohe Tempo bei der Geldentwertung für einen weiter höheren Goldpreis?
Schallenberger: Nur wenn die Inflation dauerhaft so hoch bleiben sollte wie im vergangenen Winter. Und das sehen wir im Moment nicht. Die Notenbanken haben ihre Zinsen nun massiv erhöht und damit die Konjunktur abgebremst. Nun kommt in der Folge langsam auch die Inflation wieder runter. Für Deutschland rechnen wir in diesem Jahr mit einer Inflationsrate von durchschnittlich 6 Prozent, im kommenden Jahr geht unsere Prognose in Richtung 3 Prozent. Derzeit spielt vor allem auch Psychologie eine große Rolle. Viele Akteure an den Finanzmärkten reagieren hochsensibel auf drohende Krisen. Das hat man bei der Schieflage einiger US-Banken und der Schweizer Credit Suisse gesehen. Sofort machten sich Ängste vor einer neuen Finanzkrise breit – und prompt setzte ein Run auf Gold ein.
Wenn die Zinsen steigen, wird es lukrativer, in sichere Anleihen und am Geldmarkt zu investieren und Gold eher links liegen zu lassen.
LBBW Standpunkt: Der hohe Preis könnte die Produzenten animieren, mehr Gold zu fördern und auf den Markt zu werfen. Warum rechnen Sie trotzdem mit steigenden Preisen?
Schallenberger: Beim Gold reagiert das Angebot nur sehr behäbig auf Preisveränderungen, jedenfalls nicht so flexibel wie etwa beim Rohöl, wo ein Kartell wie die OPEC vergleichsweise schnell die Förderquoten rauf- oder runterfahren kann. Neue Projekte oder ein Hochfahren der Kapazitäten kostet die Minenbetreiber viel Geld. Das werden sie nicht gleich in die Hand nehmen, weil der Preis 50 oder 100 Dollar höher steht. Auch die Recyclingquoten, etwa durch Einschmelzen von altem Schmuck, bewegen sich nur langsam. Viel entscheidender für die weitere Goldpreisentwicklung ist, dass die Zinsen wahrscheinlich nicht mehr sehr viel weiter steigen, sondern sogar sinken werden.
LBBW Standpunkt: Warum sollten die Zinsen wieder sinken?
Schallenberger: Gold wirft keine laufenden Erträge ab. Wenn die Zinsen steigen, wird es lukrativer, in sichere Anleihen und am Geldmarkt zu investieren und Gold eher links liegen zu lassen. Diesen Effekt konnte man bis zum Herbst vergangenen Jahres gut beobachten. Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs lag noch gar nicht so lange zurück, die Inflation war hoch – aber eine Zinserhöhung nach der anderen durch die Notenbanken haben den Goldpreis bis auf 1.600 Dollar gedrückt. Dieser belastende Effekt läuft nun aus. Wir rechnen damit, dass die Geldmarktzinsen in den USA in einem Jahr tiefer stehen werden als heute. Gleichzeitig werden die Notenbanken den Goldkurs mit ihren Käufen wahrscheinlich weiter stützen.
LBBW Standpunkt: Stellt sich dann nur die Frage, ob man in physisches Gold oder in verbriefte Anlageformen investieren sollte?
Schallenberger: Das ist eine Frage der persönlichen Risikoeinstellung. In der Finanzkrise 2008 hat sich gezeigt, dass ich auch mit einem Goldzertifikat Geld verlieren kann, weil die Bank, die das Papier ausgegeben hat, pleitegegangen ist. Das kann mir bei einer Goldmünze, die ich in Händen halten kann, nicht passieren. Mit dieser Anlageform habe ich das Ausfallrisiko auf null gesenkt.
LBBW Standpunkt: Mit physischem Gold kann ich im Fall des Falles aber auch nicht das Brot beim Bäcker bezahlen, oder?
Schallenberger: Das wird schwierig. Daher müsste man bei einer wirklich extremen Krise auch kleinere Stückelungen parat haben. Wenn es nur um ein Brot geht, ist Silber vielleicht geeigneter. Das ist dann quasi das „Kleingeld“ in der Krise. Das Münzkabinett der BW-Bank bietet zu beiden Edelmetallen eine breite Auswahl sowohl an Münzen als auch Barren in unterschiedlichen Stückelungen an. Genauso wichtig ist dabei, dass wir ein verlässlicher, fairer Handelspartner sind. Wenn es denn wirtschaftlich wirklich mal ganz schlimm kommen sollte, können Sie jederzeit eine Einheit aus dem Goldbestand bei uns eintauschen.
Dr. Frank Schallenberger ist Leiter Rohstoff-Research bei der LBBW. Er beobachtet seit über 15 Jahren die weltweiten Märkte für Industriemetalle, Edelmetalle und energetische Rohstoffe. Mit diesen Informationen werden Unternehmenskunden versorgt, die Rohstoffe im Einkauf nachfragen, aber auch Anleger, die in die Assetklasse Commodities investieren wollen.
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