31.03.2023

CCS: das Kohlendioxid mit Keschern aus der Luft holen – und einlagern

Ohne das Abscheiden von CO₂ samt dauerhafter Speicherung lassen sich die Klimaziele nicht erreichen. Die dafür notwendigen Technologien werden bereits erprobt.

CCS-Anlage mit Sonnenuntergang
CCS-Anlage mit Sonnenuntergang
  • CCS (Carbon Capture and Storage) ist die Technologie, mit deren Hilfe die Klimaziele erreicht werden.
  • Bei CCS wird das Kohlendioxid der Luft oder Abgasströmen entnommen und anschließend dauerhaft gespeichert.
  • Die Europäische Union will zeitnah Mindestanforderungen für sinnvolles CCS definieren.
  • Mittelfristig könnte CCS dank Zertifizierungen in den Emissionshandel eingebunden werden.

Ein halbes Jahrhundert lang lieferte die dänische Nordsee-Lagerstätte „Nini West“ Rohöl, bis sie vor einigen Jahren schließlich erschöpft war. Nun spannt ein europäisches Industrie-Konsortium sie für den Klimaschutz ein: Seit März 2023 pumpen Unternehmen dort verflüssigtes CO₂ in den Untergrund – sie wollen das einstige Ölfeld als Treibhausgas-Endlager nutzen. Carbon Capture and Storage, kurz CCS, heißt dieses Konzept: Abgasströmen oder auch der Luft wird CO₂ entnommen, um es dann dauerhaft in ehemaligen Gas- und Öl-Lagerstätten oder in Salzkavernen zu speichern. Experten sprechen hier auch von „negativen Emissionen“.

Nach Einschätzung des Weltklimarats IPCC ist CCS mittel- bis langfristig unverzichtbar, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Denn selbst wenn der Umbau des Energiesystems von fossil zu erneuerbar abgeschlossen ist, werden noch Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen, vor allem Methan aus der Landwirtschaft. Dazu kommt CO₂ aus Industrieprozessen, bei denen es technisch unmöglich ist, Emissionen zu vermeiden.

Mehrere Optionen für die CO₂-Entnahme

Doch wie kommt man an das CO₂? Am einfachsten ist es, Abgasströme anzuzapfen, etwa aus Gas- und Kohlekraftwerken oder aus Industrieanlagen. Dort liegt das Treibhausgas nämlich in relativ hoher Konzentration vor. Für das Abscheiden stehen mehrere Verfahren zur Verfügung: zum Beispiel eine Aminwäsche oder andere Formen der chemischen Absorption, Tieftemperatur-Trennverfahren, der Einsatz spezieller Filtermembrane oder, bei Kohlekraftwerken, die Auskondensierung des Wasserdampfes aus dem Rauchgas.

Allerdings wird es mit fortschreitender Energiewende immer weniger CO₂-Quellen dieser Art geben. Damit rückt mittelfristig ein anderer Ansatz in den Fokus: das Entfernen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre mittels Bäume und Pflanzen. Die entstehende Biomasse wird dann in einem Kraftwerk verbrannt und das dabei freigesetzte CO2 aus dem Abgas abgeschieden. Willkommener Nebeneffekt: Das Kraftwerk liefert klimaneutrale Energie. „Bioenergy with Carbon Capture and Storage“ (BECCS) heißt dieses Konzept.

Einige Unternehmen haben unabhängig voneinander eine Art Kohlendioxid-Kescher entwickelt, der das Treibhausgas aus der Luft fischt.

Langfristig gesehen könnte aber auch die Entnahme von CO₂ aus der Umgebungsluft eine Option sein. Einige Unternehmen haben unabhängig voneinander eine Art Kohlendioxid-Kescher entwickelt, der das Treibhausgas aus der Luft fischt. Dass die Technologie funktioniert, beweisen mehrere Pilotanlagen. Allerdings ist dieses „Direct Air Capture“ genannte Verfahren noch sehr teuer. Die Unternehmen sind aber optimistisch, mit einer Weiterentwicklung und Skalierung der Technologie die Kosten deutlich senken zu können.

EU will CCS zertifizieren

Noch steckt CCS ganz in den Anfängen; Projekte wie das vor der Küste Dänemarks dienen vor allem dazu, Erfahrungen zu sammeln. Deshalb hat sich auch noch kein Markt für dieses Konzept etabliert. Dabei ist das Potenzial riesengroß. Denn mit dem Erwerb von Nachweisen über CO₂-Entnahme und -Speicherung hätten Käufer die Möglichkeit, eigene Emissionen zu kompensieren. Das ist vor allem für diejenigen Unternehmen interessant, die sich das Ziel gesetzt haben, bis zu einem Stichtag klimaneutral zu wirtschaften.

Bislang fehlt es allerdings noch an Standards für CCS, zum Beispiel was die Dauerhaftigkeit der CO₂-Speicherung betrifft. Jeder potenzielle Anbieter kann hier eigene Kriterien anwenden. Das lädt ein zu „Greenwashing“. Dem will die EU-Kommission nun begegnen, indem sie Mindestanforderungen an CCS definiert. Das macht eine unabhängige Zertifizierung der Angebote möglich – was einen Anreiz setzt, in Projekte zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ zu investieren, da allgemein anerkannte Zertifikate die Nachfrage nach dieser Leistung stimulieren werden. Zur Definition der Kriterien hat die EU-Kommission jetzt einen ersten, noch sehr grob gefassten Vorschlag vorgelegt. Der Entwurf wird nun in Zusammenarbeit mit Expertengruppen und den Mitgliedsstaaten weiter ausgearbeitet. Solche Standards sind die Voraussetzung für die von einigen Experten geforderte Berücksichtigung von CCS im europäischen Emissionshandel (EU ETS). Sie schlagen vor, den Kauf von CCS-Zertifikaten als CO₂-Minderung anzuerkennen, so dass diese Unternehmen in der Folge weniger Emissionsrechte erwerben müssen. Um das umzusetzen, müsste allerdings die EU-ETS-Gesetzgebung geändert werden.