25.10.2024

Transformation braucht Mut – und Geld

Deutschland gibt viel Geld für die nachhaltige Transformation aus. LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger erklärt, warum die Summen noch immer nicht ausreichen.

Frau in Warnweste vor einem Windkraftanlage
Frau in Warnweste vor einem Windkraftanlage

Standpunkt: Herr Schönenberger, warum sollten wir in Deutschland so viel Geld in die nachhaltige Transformation stecken, wenn es so viele andere dringende Probleme gibt?

Thorsten Schönenberger: Die nachhaltige Transformation ist trotz hoher Kosten unverzichtbar. Der weltweite Investitionsbedarf in die nachhaltige Transformation bis 2030 wird auf jährlich 5,7 Billionen US-Dollar geschätzt. Die Europäische Kommission sieht dabei die jährlichen Zusatzinvestitionen in Europa bei rund 350 Milliarden Euro für denselben Zeitraum – und das allein, um das Energiesystem umzustellen. Für Deutschland taxiert der Bankenverband den zusätzlichen Investitionsbedarf für die Energiewende auf 100 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Investitionen lohnen sich langfristig, da die Kosten der Klimaerwärmung um ein Vielfaches höher liegen. Nichts zu tun, ist keine Option.

Standpunkt: Wie bewerten Sie den aktuellen Fortschritt der nachhaltigen Transformation bei Energie und Immobilien?

Thorsten Schönenberger: Wir machen Fortschritte, aber viel zu langsam. Um Gebäude klimafreundlich zu machen, müssten wir jedes Jahr etwa drei Prozent des Bestands modernisieren, aber im Moment schaffen wir nur etwa ein Prozent. Außerdem sind unsere Energienetze nicht gut genug für die zunehmende Nutzung von erneuerbaren Energien vorbereitet. Dies führt oft dazu, dass erneuerbare Energiequellen abgeschaltet werden müssen und stattdessen Kraftwerke, die fossile Brennstoffe nutzen, aktiviert werden. In den vergangenen fünf Jahren haben diese Umstände die Redispatch-Kosten – also Kosten, die entstehen, wenn Netzbetreiber eingreifen müssen, um die Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten – auf 3,1 Milliarden Euro erhöht. Das sind Kosten, die letztlich von uns allen bezahlt werden müssen. Es ist dringend notwendig, in Speichertechnologien zu investieren und unsere Netze zu modernisieren, um diese Probleme zu bewältigen.

Standpunkt: Warum gelingt es Deutschland nicht, hier schneller voranzukommen?

Thorsten Schönenberger: Ein großes Problem ist, dass es an finanziellen Mitteln für die Transformation mangelt; es ist einfach nicht genug Geld da. Private Firmen haben im Jahr 2022 etwa 72 Milliarden Euro für Klimaschutz ausgegeben, aber eigentlich bräuchte man 120 Milliarden Euro jährlich – es fehlen also 48 Milliarden Euro. Besonders kleine Unternehmen und beispielsweise auch Wohneigentümergemeinschaften tun sich schwer, da sie unsicher sind, ob sich ihre Investitionen am Ende auszahlen. Zudem fehlt ihnen oft das nötige Kapital. Weitere Hindernisse sind rechtliche Probleme, der langsame Fortschritt bei der Digitalisierung, schwer zugängliche Daten sowie zahlreiche Vorschriften und Bürokratie. Zusätzliche Probleme sind die fehlende Infrastruktur für das Sammeln von Daten und das unzureichende Glasfasernetz in Deutschland, was Investitionen weiter erschwert.

Standpunkt: Ist das also ein rein deutsches Problem?

Thorsten Schönenberger: Auf europäischer Ebene sieht es nicht besser aus: Für die Stromnetze müssten 800 Milliarden Euro investiert werden, besonders in die lokalen Netze. Diese wichtigen Investitionen sind oft Aufgabe von lokalen Versorgern und Stadtwerken, die damit finanziell überfordert sind.

Thorsten Schönenberger, Mitglied des LBBW-Vorstands

Es mangelt an finanziellen Mitteln für die Transformation; es ist einfach nicht genug Geld da.

LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger

Standpunkt: Wie schaffen wir es, die notwendigen Investitionen für die nachhaltige Transformation zu mobilisieren?

Thorsten Schönenberger: Wir brauchen Klarheit, Konsequenz und Mut!

Standpunkt: Können Sie das konkretisieren?

Thorsten Schönenberger: Wir brauchen Klarheit über die Kosten. Ich finde es wichtig, die Kosten für Umweltschäden klar aufzuzeigen und den globalen Handel mit CO₂-Zertifikaten zu fördern, um den Klimaschutz in die Finanzwelt zu integrieren. Mit dem Ende der kostenlosen Emissionsrechte in der EU und der Ausweitung des Emissionshandels werden die CO₂-Kosten stark steigen, was vor allem kleinere Betriebe und Menschen mit geringem Einkommen treffen wird. Politik und Banken müssen ihre Strategien anpassen und die Folgen fehlender Investitionen in den ökologischen Wandel deutlich machen.

Standpunkt: Und was verstehen Sie unter Konsequenz in diesem Zusammenhang?

Thorsten Schönenberger: Konsequenz bedeutet für mich, Investitionshürden zu senken und Kapital für die nachhaltige Transformation bereitzustellen. Deutsche Banken, einschließlich der LBBW, investieren in erneuerbare Energien und Technologien und werden dabei durch finanzielle Anreize wie niedrigere Zinsen unterstützt. Es ist essenziell, umweltfreundliche Finanzierungen zu fördern und die Zusammenarbeit im europäischen Kapitalmarkt zu verbessern.

Mut bedeutet, Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen und bereit zu sein, Risiken einzugehen.

LBBW-Vorstand Thorsten Schönenberger

Standpunkt: Was bedeutet Mut für Sie?

Thorsten Schönenberger: Mut halte ich für unerlässlich, um die Herausforderungen der Energie- und Immobilienwende zu meistern. Es bedeutet, Entscheidungen auch unter Unsicherheit zu treffen und bereit zu sein, Risiken einzugehen.

Standpunkt: Würden Sie die LBBW in diesem Umfeld als mutig bezeichnen?

Thorsten Schönenberger: Ja, die LBBW geht proaktiv vor, um bis 2045 Klimaneutralität in Deutschland zu erreichen. Wir setzen auf innovative Finanzierungswege für nachhaltige Projekte in den Bereichen Ökologie, Wirtschaft und Soziales. Unsere Unterstützung in Form von Darlehen konzentriert sich auf drei Hauptbereiche: die Renovierung und Modernisierung von Gebäuden, die Umstellung auf erneuerbare Energien und die Verbesserung der digitalen Infrastruktur, einschließlich des Ausbaus von Rechenzentren und Glasfasernetzen. 2023 haben wir Darlehen in Höhe von 11,4 Milliarden Euro vergeben. Damit leistet die LBBW einen wesentlichen Beitrag zur nachhaltigen Transformation und zeigt deutlich, wie wichtig ihr die Förderung einer nachhaltigen und digitalen Wirtschaft ist.

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