31.01.2025

Der Scheinriese Bürgergeld

Ein Faktencheck zur Versachlichung der Debatte.

Hand mit Geldbeutel und Euroscheine
Hand mit Geldbeutel und Euroscheine

Das Bürgergeld ist seit seiner Einführung im Januar 2023 ein politischer Zankapfel. Jetzt im Wahlkampf steht der Nachfolger von Hartz IV erst recht im Zentrum hitziger Debatten. Je mehr Emotion im Spiel ist, desto mehr wächst auch die Gefahr, sich abseits der Fakten in unhaltbare Positionen zu verrennen. Lassen Sie mich das Ganze deshalb ein bisschen für Sie einordnen.

Was kostet uns das Bürgergeld?

Deutschland hat einen umfassenden sozialstaatlichen Charakter. Das kostet viel Geld. Insgesamt ist das Sozialbudget aber trotz alternder Gesellschaft und schwächelnder Wirtschaft vergleichsweise stabil geblieben (siehe Abb. 1). Das Bürgergeld an sich macht (wie auch sein Vorgänger Hartz IV) nur einen relativ kleinen und zugleich sinkenden Teil der sozialstaatlichen Ausgaben aus: Zwischen 2010 und 2023 hat sich sein Anteil von 5,8 % auf 4,1 % reduziert. Der Löwenanteil entfällt auf Gesundheit, Rente und Pflege. 2010 betrugen die Ausgaben für den Bürgergeldvorgänger „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ 1,8 % des deutschen Inlandsprodukts. 2023 waren es nur noch 1,3 %. In absoluten Zahlen entspricht das knapp 54 Mrd. EUR.

Abb. 1: Sozialleistungsquote (% des BIP)

Bis 1990 Westdeutschland. Ab 1991 Deutschland gesamt.

Zuletzt gab es zum Teil heftige Kritik an der Anhebung des Regelbedarfs 2024 um zwölf Prozent auf monatlich 563 Euro. In der Tat hat die Bundesregierung die Preisentwicklung da überschätzt und ist über das Ziel hinausgeschossen. Entsprechend findet 2025 eine Nullrunde statt. Und da auch dieses Jahr noch ein Überhang der Inflationsanpassung besteht, erwarte ich auch für 2026 bestenfalls eine minimale Erhöhung. Die Kosten des Bürgergeldes sind also überschaubar und statisch.

Abb. 2: Relative Häufigkeit von Bürgergeld

SGB II-Quote (%) | Regelleistungsberechtigte (Mio.)

Wer bekommt Bürgergeld?

Derzeit erhalten etwa 5,5 Millionen Menschen in Deutschland Bürgergeld. Das entspricht einer Quote von etwas mehr als 8 % der Gesamtbevölkerung (siehe Abb. 2). Die Zahl der Leistungsempfänger war bis 2022 rückläufig. Die Trendumkehr seither lässt sich allein auf Geflüchtete aus der Ukraine zurückführen, meistens Frauen und Kinder. Dadurch stieg der Anteil ausländischer Bürgergeldbezieher von 37 % auf zuletzt 48 %. Nicht alle prinzipiell erwerbsfähigen Berechtigten sind arbeitslos: Wenn ein Einkommen zu niedrig für den Lebensunterhalt ist, stockt es der Staat mit Bürgergeld auf. Nur etwa 1,7 Millionen Empfänger sind tatsächlich arbeitslos, die Hälfte davon langzeitarbeitslos. Zwei Drittel von ihnen haben wiederum keine Berufsausbildung. Weitere 1,6 Millionen Menschen sind nicht erwerbsfähig, die meisten davon sind Kinder (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Struktur der Leistungsempfänger

(Sept. 24)

Quelle: Quelle: BfA, LBBW Research

Verhindert das Bürgergeld die Arbeitsaufnahme?

Kritiker und Boulevardmedien unterstellen gerne, dass das Bürgergeld Arbeitslose davon abhält, Arbeit aufzunehmen, weil sie sich mit Sozialtransfers angeblich besserstellen. Wie Abb. 4 dokumentiert, stimmt das für keine Bevölkerungsgruppe. Wer arbeitet, hat immer mehr. Dazu passt, dass trotz Einführung des Bürgergeldes die Zahl der Übergänge in den Leistungsbezug 2023 nicht zugenommen hat, und das obwohl der Arbeitsmarkt gerade für Geringqualifizierte seit Ende 2022 schwieriger geworden ist. Dass der Mindestlohn seit 2021 stärker zulegte als das Bürgergeld, schärfte die Anreize zur Arbeitsaufnahme. In den ersten elf Monaten des Jahres 2023 entzogen sich insgesamt 13.838 „Totalverweigerer“ Arbeit oder Ausbildung. Das entspricht 0,9 % der erwerbsfähigen Bürgergeld-Empfänger.

Abb. 4: Wer arbeitet, hat immer mehr

Mehreinkommen (%) 38-Std.-Woche zum Mindestlohn, Ein Verdiener pro Haushalt

Selbstverständlich gibt es auch beim Bürgergeld noch Verbesserungsmöglichkeiten, etwa wenn es darum geht, Leistungsempfängern Schwarzarbeit zu erschweren. Aber ein Blick auf die Fakten offenbart schnell: Das Bürgergeld ist nicht das Allheilmittel, mit dessen Reduzierung viele Probleme auf einmal gelöst werden würden. So einfach ist die Welt dann doch nicht.

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