28.02.2025
Reform der Schuldenbremse: jetzt oder nie!
Die Bundestagswahl hat die Sachlage dramatisch verändert.


Nun hat Deutschland also gewählt: Das Resultat führt uns unmissverständlich vor Augen: Die politische Mitte bröselt. Die SPD hat das schlechteste Ergebnis der Nachkriegsgeschichte eingefahren, die Union das zweitschlechteste, und die FDP hat es noch nicht einmal mehr über die Fünfprozenthürde geschafft. Die Situation ist so desolat, dass es nur eine einzige Koalitionsoption gibt: die zwischen Union und SPD. Ein Bündnis aus der größten und der drittgrößten Fraktion. Eine „große Koalition“ im eigentlichen Wortsinn ist das nicht mehr. Und ihre Stimmen reichen nur mit Ach und Krach für eine Mehrheit aus.
Das Fenster für Verfassungsänderungen schließt sich
Ein weiteres dramatisches Ergebnis der Wahl ist, dass die verbliebenen Parteien der Mitte (Union, SPD und Grüne) gemeinsam nicht mehr über eine Zweidrittelmehrheit verfügen. Damit werden in Zukunft Verfassungsänderungen nur noch mit Zustimmung der Parteien an den extremen Rändern möglich sein, der AfD oder der Linken. Und die werden ihr Ja mit großer Wahrscheinlichkeit an für die Parteien der Mitte nicht akzeptable Konditionen knüpfen.
Das betrifft auch die Einrichtung von Sondervermögen oder eine Reform der Schuldenbremse. Deshalb wird in Berlin derzeit auch heftig darüber gestritten, ob man in der verbleibenden Zeit des alten Bundestages etwa das Sondervermögen für die Bundeswehr aufstocken sollte. Denn spätestens 30 Tage nach der Wahl muss sich der neue Bundestag konstituieren. Die Uhr tickt also! Es entspricht zwar nicht den politischen Gepflogenheiten, dass die „alten Abgeordneten“ nach den Wahlen noch Maßgebliches beschließen. Aber gegeben hat es das schon.
Die Schuldenbremse muss nun rasch reformiert werden
Aber die Zeiten sind alles andere als normal. Ich halte ein Abweichen von den bewährten Gepflogenheiten deshalb nicht nur für vertretbar, sondern für dringend geboten. Und die Verteidigung ist nicht das einzige Problem. Auch ein weiterer Verfall von Schienen, Straßen und Schulen dürfte den extremen Rändern in Zukunft politisch in die Karten spielen und das Wachstum blockieren. Wenn Deutschland jetzt nicht die Schuldenbremse reformiert, kann niemand sagen, wann es das nächste Mal möglich sein wird. Das Volk scheint bereit dazu: In einer aktuellen Umfrage haben sich 49 % der Befragten für eine Lockerung der Schuldenbremse ausgesprochen. 28 % sind dagegen.
Staatsschuldenquote
% des BIP, 2025-2050
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Annahmen:
- Szenario 1: BIP-Wachstum nominal = 2 % p.a., Defizit = 0,35 %
- Szenario 2: Nominales BIP-Wachstum = 2 % p.a. bis 2030, dann 2,25 %, Defizit=2,5 % des BIP bis 2030, danach keine Defizite mehr
Keine Angst vor überbordenden Schulden
Ende 2023 habe ich an dieser Stelle einen konkreten Vorschlag zur Reform der Schuldenbremse gemacht, den ich hier aktualisiert in Erinnerung rufen möchte. Wenn man die Schuldenbremse so modifizieren würde, dass statt bisher 0,35 % bis 2030 befristet 2,5 % Defizit erlaubt sind, die zwingend in investive Vorhaben fließen müssen, klettert die Schuldenquote von jetzt 63 % selbst bei realwirtschaftlicher Stagnation bis 2030 moderat auf 69 % des BIP (blaue Linie). Nimmt man ferner an, dass die Realwirtschaft danach wegen der erfolgten Investitionen um jährlich 0,25 % wächst (statt null), würde der Schuldenquotient bis 2046 auf das Niveau zurückkehren, das sich auch mit unveränderter Schuldenbremse eingestellt hätte. Der einzige Unterschied: Die Wirtschaft wüchse dynamischer. Die Stabilität der Staatsfinanzen ist dabei zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise gefährdet. Und wenn das BIP – anders als von uns unterstellt, aber von manchen erhofft – doch zunähme? Abgesehen davon, dass dafür angesichts der geopolitischen Lage spätestens seit der US-Wahl nichts spricht: Dann nähme die Staatsschuldenquote eben schneller ab als abgebildet. Noch besser.
Es ist Zeit für vorausschauenden Pragmatismus. Jetzt.
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