17.04.2025
„We are not in Kansas anymore”!
Trump sägt an dem Ast, auf dem die US-Wirtschaft sitzt.


Der eine oder die andere dürfte sich über den Titel des heutigen Klartextes wundern. Das Zitat stammt aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ (1938) und ist in den USA eine gängige Redewendung. „Wir sind nicht mehr in Kansas“, sagt die Protagonistin Dorothy zu ihrem Hündchen Toto, als sie sich auf wundersame Weise statt im mittleren Westen im Zauberland Oz wiederfindet. Also in einer völlig neuen, ihr unvertrauten Welt. Und genau so ergeht es uns, seit Donald Trump die Globalisierung durch seine Zollorgie brutalstmöglich zum Teufel gejagt hat. Oder, wie es dieser Tage ein Blogger ausdrückte: Jetzt wissen wir Ökonomen, wie sich Wissenschaftler gefühlt haben, als Trump während der Pandemie die Injektion von Bleichmittel empfahl.
Zu den US-Zöllen und deren hanebüchenen Herleitung ist eigentlich flächendeckend alles gesagt. Auch zu der extremen Volatilität und dem Ausverkauf an den Aktienmärkten. Ich beschränke mich an dieser Stelle daher auf den Gedanken, wie bizarr es ist, dass Trump das System einreißen will, von dem sein Land über Jahrzehnte so stark profitiert hat.
Das exorbitante Privileg der Weltreservewährung
Im Zentrum steht der Status des US-Dollar als Weltreservewährung. Er ist die weltweit bevorzugte Währung für internationale Transaktionen oder wenn es darum geht, Finanzvermögen wertstabil zu halten, etwa in Form von Währungsreserven. Das bringt Privilegien mit sich. Zunächst ist zu nennen, dass die hohe globale Nachfrage nach einer Reservewährung die Kreditaufnahme in dieser Währung verbilligt, und zwar sowohl für den Staat als auch für Unternehmen und Haushalte. Zudem lassen sich mit diesem massiven Rückhalt problemlos Leistungsbilanzdefizite finanzieren, die dem Land deutlich mehr Spielraum für Konsum und Investitionen geben, als die heimische Produktion rechtfertigen würde. Auch die geldpolitische Flexibilität ist den Zentralbanken anderer Länder überlegen. Das ermöglicht eine wirkungsvolle Reaktion auf Krisen. Zuletzt war diese Flexibilität während der Finanzkrise und der Pandemie zu beobachten: Die Fed gewährte anderen Zentralbanken, auch der EZB, Dollar-Liquiditätslinien. Da war einmal mehr klar, wo der Hammer hängt.
Valéry Giscard d’Estaing, ehemaliger französischer Finanzminister und späterer Staatspräsident Frankreichs, hat dafür 1965 neidvoll den Begriff des „exorbitanten Privilegs“ der USA geprägt. Er kritisierte, dass dieses Privileg andere Länder benachteilige. Trump sieht das nun genau umgekehrt: Alle anderen Länder hätten über Jahrzehnte die USA ausbluten lassen, geplündert und vergewaltigt (seine Worte, nicht meine).
Trumps Litanei über angebliche Handelshemmnisse grenzt nach meiner Wahrnehmung schon an Verfolgungswahn. Offenbar gehen alle Gesetze und Erlasse in Europa auf das einzige Ziel zurück, Amerika böswillig über den Tisch zu ziehen.
Die Ersparnisse in den USA sind zu niedrig
Dabei ist das Defizit der USA im Warenhandel letztlich Ausdruck mangelnden Sparwillens. Amerika lebt über seine Verhältnisse. Die Ersparnisse der restlichen Welt alimentieren diesen Lebensstil. Abbildung 1 zeigt, dass die Sparquote in den USA seit Jahrzehnten auf niedrigem Niveau stagniert. Länder, die mehr investieren, als die eigenen Ersparnisse hergeben, verzeichnen zwangsläufig ein Defizit im Außenhandel. Auch das riskante Finanzgebaren der Regierung ist nicht gerade hilfreich. Die Neuverschuldung der USA steigt Jahr für Jahr immens (siehe Abbildung 2). Statt als Wüterich gegen den Rest der Welt zu poltern, könnte Trump auch mal vor der eigenen Türe kehren.
Abb. 1: Gesamtwirt- schaftliche Sparquote
% des BIP
⬤ {series.name}: {point.y}
NB: Sparquote global 2024 = 26,4%
Abb. 2: Budgetsaldo
% des BIP
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Statt als Wüterich gegen den Rest der Welt zu poltern, könnte Trump auch mal vor der eigenen Türe kehren.
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