09.09.2024

Business-Ethik: Warum sich ethisches Verhalten für Unternehmen rechnet

Warum Unternehmen die ESG-Regularien zum Anlass nehmen sollten, sich mit Business-Ethik zu beschäftigen, erklärt Dr. Daniel Walden.

Hammer auf Schreibtisch
Hammer auf Schreibtisch

Lohnt sich ethisches Verhalten? Auf jeden Fall, sagen Philosophen. Auf keinen Fall, wenn es auf Kosten von Umsatz und Gewinn geht, entgegnen viele Unternehmer und Manager. „Geld verdienen oder Moral zeigen“, dieser Konflikt wird ständig neu verhandelt. Das zeigte sich bei der ESG-Academy der LBBW, als Dr. Daniel Walden von der Anwaltskanzlei ADVANT Beiten die Gäste fragte, ob Unternehmen frei darin seien, „inwieweit sie ethische Überlegungen in unternehmerische Entscheidungen einfließen lassen“. Ergebnis: Mehr als 40 Prozent der Entscheider stimmten dieser Aussage zu.

Sie liegen falsch damit. Wer als Manager pflichtwidrig mit dem anvertrauten Vermögen umgeht, macht sich im Falle von Vorsatz der Untreue schuldig – das ist strafbar. Dafür kann schon eine Überschreitung des (wenn auch weiten) unternehmerischen Ermessens ausreichen. Wer sich bestechen lässt oder korrupt zeigt – ebenfalls strafbar. Auch jenseits der Strafgesetze können Rechtsverstöße unangenehme, häufig auch finanzielle Folgen haben. Das gilt zum Beispiel für alle, die Umweltgesetze ignorieren, das Arbeitsrecht vernachlässigen oder unzureichende Governance-Systeme einrichten. Das Recht fordert ein Mindestmaß an ethischem Verhalten ein, indem es festlegt, wie viel gesellschaftliche Verantwortung ein Unternehmen übernehmen muss. Wer das ignoriert, wird sanktioniert.

ESG heißt: verantwortungsvoll zu handeln

Das ist bekannt. Was allerdings neu ist: Die Europäische Union bringt die EU-Staaten mit neuen Gesetzen, Vorschriften und anderen Regularien dazu, sich rechtlich stärker an ESG-Kriterien zu orientieren. Das Kürzel ESG steht für E wie Environment (Umwelt), S wie Social (Soziales) und G wie Governance (Unternehmensführung). Das Neue an der ESG-Orientierung der Europäischen Union: Bestehende wie künftige Gesetze werden unter einem nachhaltigen Verständnis gebündelt.

Der Anspruch von ESG an die Unternehmen reicht weit über das schiere Beachten der Gesetze hinaus: Es geht darum, insgesamt verantwortungsvoll zu handeln.

Dr. Daniel Walden, Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei ADVANT Beiten

„Der Anspruch von ESG an die Unternehmen reicht weit über das schiere Beachten der Gesetze hinaus“, sagt Anwalt Dr. Daniel Walden: „Es geht darum, insgesamt verantwortungsvoll zu handeln.“ Diese angewandte Business-Ethik führe keineswegs zwangsläufig zum Konflikt zwischen Moral und Geldverdienen, sagt Walden. Wer sich mit den Umwelt- und sozialen Risiken des Unternehmens beschäftige, erkennt mögliche Gefahren eher und kann früher gegensteuern. Deshalb ist ein funktionierendes Risikomanagement für jedes Unternehmen so wichtig. „Die Geschäftsleitung muss die Risiken im Blick haben, egal woher sie kommen“, sagt Walden. „Das können die Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz sein, Schwierigkeiten mit den Lieferketten oder eben auch ESG.“

Das Risiko „Pflichtverletzung“

Wer Risiken übersieht oder ignoriert, muss befürchten, für die Folgen auch persönlich in Haftung genommen zu werden. Das gilt natürlich auch für alle Risiken, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben. „Die Geschäftsleitung steht in der Pflicht, sich für Entscheidungen die relevanten Informationen zu verschaffen“, sagt Walden. Darauf zu verzichten, ist der erste Schritt zur Pflichtverletzung. Wird dann das unternehmerische Ermessen überschritten und entsteht daraus ein Schaden, droht ein Schadenersatzanspruch. Das gleiche gilt natürlich erst recht, wenn es zu Gesetzesverletzungen kommt. Das gilt auch für die neuen ESG-Gesetze.

Eine Pflichtverletzung kann also teuer werden. Und laut Gesetz muss der Manager beweisen, dass er pflichtgemäß gehandelt hat. Jenseits von Gesetzesverletzungen stellt sich letztlich jedoch häufig die Frage: War die umstrittene Entscheidung unternehmerisch tatsächlich unvertretbar? „Da ist die Grauzone unheimlich groß“, sagt Walden. Führt eine interne Pflichtverletzung auch zu einem Fehlverhalten des Unternehmens nach außen, etwa indem Verträge oder Gesetze verletzt werden, steht übrigens auch das Unternehmen selbst in der Haftung. Es droht dann auch insofern ein Regress.

Konkrete Haftungsfälle, die sich um neue ESG-Regularien drehen, seien derzeit noch die Ausnahme, sagt Anwalt Walden. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis Verstöße gegen die neuen Gesetze aufgedeckt und verfolgt werden, gerade wenn dem Unternehmen ein Schaden entstanden ist. Beim Lieferkettengesetz, 2023 eingeführt, erwartet er die ersten Prozesse zum Beispiel in drei bis fünf Jahren: „Wenn es die ersten Bußgeldbescheide des BAFA wegen Verstößen gegen das Lieferkettengesetz gibt, wird sich auch die Frage stellen, ob die Unternehmensleitung hierfür zur Verantwortung zu ziehen ist.“

ESG „entemotionalisieren“ und Chancen erkennen

Genau das soll ja nicht passieren. Deshalb plädiert Anwalt Dr. Daniel Walden dafür, „ESG zu entemotionalisieren“ und die Regularien nicht nur als nervige Pflicht zu sehen. „Lebendig wird es, wenn es in die Geschäftsstrategie und -tätigkeit integriert wird.“ Wenn die Chancen erkannt werden, die damit verbunden sind. „Und diese Chancen erkennt man nicht“, sagt Walden, „wenn man sich nicht damit beschäftigt.“ Die Transformation hin zu einer nachhaltig orientierten Wirtschaft werde viel Geld kosten „und das fließt irgendwo hin – am besten doch zum eigenen Unternehmen!“

So reichen sich Moral und Geldverdienen doch die Hand. Viele der professionellen Anleger hätten das längst erkannt und setzten auf langfristige statt kurzfristige Gewinnmaximierung, sagt Walden: „Es gibt genug Vermögensverwalter, die sich nicht für Quartalsberichte interessieren.“