Die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) und ihr Junior-Koalitionspartner Komeito haben nach der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag keine Mehrheit mehr im Unterhaus. Für Premierminister Shigeru Ishiba und seine erfolgsverwöhnte LDP ist dies eine schweren Schlappe. Die Regierungskoalition hatte vor den Wahlen 279 Sitze, jetzt nur noch auf 215 – die Mehrheit von 233 Sitzen wurde also klar verfehlt. Die Niederlage ist vor allem Folge eines Wahlspendenskandals, in den zahlreiche LDP-Mitglieder verwickelt waren.
Ishiba wird nun wahrscheinlich versuchen, die Koalition um eine oder wahrscheinlich sogar mehrere weitere bisherige Oppositionsparteien zu erweitern, um seine Regierung fortsetzen zu können. Denn die parlamentarischen Regeln erfordern mindestens 261 Sitze für eine stabile absolute Mehrheit. Erst dies ermöglicht es der Regierungskoalition, den Vorsitz in allen Ausschüssen zu führen und die Mehrheit der Mitglieder in diesen zu stellen.
Die „Konstitutionelle Demokratische Partei Japans“ (CDP) als größte Oppositionspartei unter der Führung des ehemaligen Premierministers Yoshihiko Noda gewann 148 Sitze, ein deutlicher Zuwachs gegenüber den 98 Sitzen, die sie zuvor innehatte. Zur Übernahme der Regierung dürfte dies aber nicht reichen. Sollte es der CDP dennoch gelingen, eine Regierung zu stellen, wäre dies eine Sensation, die für Turbulenzen sorgen könnte – aber sehr unwahrscheinlich ist. Damit ist u.E. weiterhin mit einer LDP-geführten Regierung zu rechnen, die künftig deutlich größere Zugeständnisse an ihre Koalitionspartner wird machen müssen als an die recht „zurückhaltende“ Komeito.
Insofern ist mit einer größeren „Volatilität“ innerhalb der japanischen Politik zu rechnen. Hier das Wort „Instabilität“ zu gebrauchen, wäre allerdings überzogen. Kritisch könnte die unter den letzten Regierungen vorangetrieben Öffnung Japans für ein deutlich stärkeres Engagement des Landes in der regionalen Sicherheitspolitik werden. Viele Japanerinnen und Japaner sind Verfechter der alten „pazifistischen“ Ausrichtung des Landes nach dem 2. Weltkrieg und stehen einer „robusteren“ Haltung Japans z.B. gegenüber den Gebietsansprüchen Chinas im südchinesischen Meer skeptisch gegenüber.
In den kommenden Wochen ist nun ein intensives Ringen zwischen den Parteien zu erwarten. Die Parteien müssen sich jedoch schnell einigen. Im nächsten Monat soll eine Sondersitzung des Parlaments einberufen werden, um offiziell einen neuen Premierminister zu wählen.
Unsere Ersteinschätzung zur Parlamentswahl in Japan
Alles in allem dürfte das Regieren dem künftigen Premier Japans mehr Verhandlungsgeschick abfordern als bisher. Eine grundsätzliche Änderung der japanischen Politik erwarten wir jedoch nicht. Die LDP dürfte auch künftig den Premier stellen und der dürfte Ishiba heißen. Ishiba, der in seiner eigenen Partei sehr umstritten ist, könnte von der neuen Konstellation sogar profitieren. Denn an die Stelle des bisherigen Gerangels zwischen den mächtigen, ihm z.T. feindselig gegenüber stehenden Fraktionen innerhalb der LDP, dürfe nun eher die Abstimmung mit den Koalitionspartnern treten. Keine LDP-Fraktion dürfte es künftig allzu offen wagen, dem Premier bei seinem Ringen mit den Koalitionspartnern in den Rücken zu fallen.
Interessant dürfte werden, wie die Koalitionsregierung sich dann bei Fragen der außenpolitischen Orientierung des Landes, bei der weiteren Straffung der Geldpolitik und beim Umgang mit der enormen Staatsverschuldung einigen wird. Hier lassen sich derzeit keine zuverlässigen Voraussagen machen und deswegen könnten je nach Stand der Verhandlungen die Märkte nun etwas nervöser reagieren als gewohnt. Mit einem fundamentalen Wende in Japan rechnen wir aber nicht, denn an der LDP als führender Partei dürfte u.E. kaum ein Weg vorbeiführen.