10.01.2025

Postkarte aus der Steiermark

Das österreichische Politdebakel und seine Lehren für Deutschland.

Österreich Wien Nationalrat Parlamentsgebäude
Österreich Wien Nationalrat Parlamentsgebäude

Da will man nur mal für ein verlängertes Wochenende ein paar ruhige Stunden in Österreich Ski fahren und ausnahmsweise an nichts Böses denken – und plötzlich gibt es im Freundeskreis wie in den Medien nur noch ein alles beherrschendes Thema: der Totalschaden bei den Koalitionsverhandlungen in Wien.

Was passiert ist

Ende September fand in Österreich die Nationalratswahl statt. Dabei kam die rechtspopulistische FPÖ mit knapp 29 Prozent erstmals auf die meisten Stimmen. Der Bundesparteiobmann, vulgo Vorsitzende, der FPÖ, Herbert Kickl, und ÖVP-Kanzler Karl Nehammer sind sich spinnefeind. Daher schloss die zweitplatzierte ÖVP eine Koalition mit der Kickl-FPÖ stets kategorisch aus. Also verhandelten die ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die liberale Neos-Partei monatelang über eine GroKo-Plus-Koalition. Vergangene Woche stiegen erst die Neos aus, die vergeblich eine Reform des finanziell auf Sand gebauten Rentensystems gefordert hatten. ÖVP und SPÖ hätten auch ohne die Liberalen noch einen Sitz Mehrheit im Nationalrat. Aber offenbar lagen ihre Positionen so weit auseinander, dass sie am Tag nach dem Neos-Exit die Verhandlungen für final gescheitert erklärten. Nehammer kündigte seinen Rücktritt als Kanzler und ÖVP-Chef an. Die „neue ÖVP“ signalisierte daraufhin sogleich, sie habe weniger Berührungsängste gegenüber dem selbsternannten „Volkskanzler“ Kickl (gab’s da nicht schon mal einen Österreicher, der sich so nennen ließ?). 99 Tage nach der Nationalratswahl erteilte Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun entsprechend der FPÖ den Regierungsauftrag. Schon bald könnte in Wien ein russlandfreundlicher und EU-skeptischer Kanzler vom Schlage Viktor Orbans regieren. Na servas!

Letzten Endes sind die Koalitionsverhandlungen an der inhaltlichen Kompromissunfähigkeit der beteiligten Parteien gescheitert. Die programmatische Verstocktheit war gepaart mit einem Schuss „Ausschließeritis“: Auch die Grünen wären als Koalitionspartner infrage gekommen. Aber nach der gerade beendeten ÖVP-Grünen-Koalition war die Entfremdung offenbar zu groß.

Was wir aus dem österreichischen Debakel lernen sollten

Deutschland steht vor einer richtungsweisenden Bundestagswahl. Die Fehler von Wien dürfen sich auf keinen Fall in Berlin wiederholen. Auch in Deutschland wird keine Partei die absoluteMehrheit erreichen. Ohne Kompromissfähigkeit wird es deshalb nicht gehen. Zugleich setzen etliche Wahlkämpfer darauf, künstlich zu polarisieren und die falschen Wettbewerber in die Radikalenecke zu stellen. Das ist Gift. Dass etwa Teile der Union eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausschließen, erhöht das Risiko einer Krise Wiener Art auch in Berlin. Denn dann bleibt wohl nur die erneute (sogenannte) Große Koalition. Diese artifizielle Alternativlosigkeit erschwert Koalitionsverhandlungen, weil beide Seiten wissen, dass die jeweils andere keine weitere Option hat. Aber bei CDU und SPD gibt es sozial- und wirtschaftspolitisch die gleichen Sollbruchstellen wie bei ÖVP und SPÖ. Deutschland braucht angesichts der darbenden Wirtschaft unbedingt einen Neustart. Monatelange Verhandlungen und ein Verhandlungskollaps wie in Österreich würden auch in Deutschland nur die radikalen Ränder stärken (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Popularität der österreichischen Parteien

Die Zeichen stehen leider nicht gut. Die Wahlkampfversprechen der staatstragenden Parteien sind selbst ohne die notwendigen Kompromisse uneinlösbar (siehe Abbildung 2). Die deutschen Parteien müssen die richtigen Schlüsse aus dem Wiener Fiasko ziehen. Sonst gewinnt nur die Politikverdrossenheit. Und eine Regierungsbeteiligung der wirtschaftsschädlichen AfD wird mittelfristig immer schwerer zu vermeiden sein.

Abb. 2: Steuersenkungsversprechen der Parteien zur Bundestagswahl (Mrd. €)

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